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Beratende Kommission empfiehlt der Stiftung Stadtmuseum Berlin, das Gemälde Portrait Alfred Kerr von Lovis Corinth an die Erben nach Robert Graetz nicht zu restituieren

1998
1970
1945
Beratende Kommission Press Release 22 July 2021

(English translation below)

Die Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, hat unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier in der Sache Erben nach Robert Graetz ./. Stiftung Stadtmuseum Berlin am 12. Juli 2021 einstimmig beschlossen, eine Restitution des Gemäldes Portrait Alfred Kerr von Lovis Corinth an die Erben nach Ro- bert Graetz nicht zu empfehlen

Das Gemälde war Teil der umfangreichen Kunstsammlung von Robert Graetz. Graetz war erfolgreicher Unternehmer und Teilhaber der Firma Glass & Graetz oHG in Berlin. Wegen seiner jüdischen Abstam- mung wurden er und seine Familie individuell und kollektiv verfolgt. Seinen Kindern aus erster Ehe gelang die Flucht ins Ausland, der Sohn seiner zweiten Ehefrau Bluma Graetz wurde mit einem Kindertransport nach England gebracht. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 wurde Bluma Graetz wegen ihrer Staatsangehörigkeit als „Staatsfeindin“ eingestuft und über die Türkei nach Russland ausge- liefert, wo sie sechs Jahre lang schwere Zwangsarbeit verrichten musste. Robert Graetz wurde am 14. April 1942 mit dem 14. Transport in das Konzentrationslager Trawniki bei Lublin deportiert. Eine letzte Nachricht an seine Tochter ist vom 16. Juni 1942 aus dem Warschauer Ghetto überliefert. Zum 31. De- zember 1945 wurde er für tot erklärt.

Angesichts des Verfolgungsschicksals der Familie Graetz geht die Beratende Kommission zwar davon aus, dass die umfangreiche Kunstsammlung der Familie größtenteils während des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt verloren ging. Nach Auffassung der Beratenden Kommission ist allerdings nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargetan, dass auch das streitbefangene Gemälde Robert Graetz ver- folgungsbedingt entzogen wurde und er gegebenenfalls der Primärgeschädigte war. Darüber hinaus steht in diesem Falle einer Rückgabe ein 1957 geschlossener Vergleich entgegen. Darin verständigten sich die Erben nach Robert Graetz mit den damaligen Besitzern über den Verkauf des Bildes an das Schillerthea- ter. Aufgrund des Vergleichs erhielten die Erben nach Robert Graetz einen Teil des Verkaufserlöses als Ausgleichsleistung. In der Gesamtwürdigung ist die Beratende Kommission deshalb zu der Einschätzung gelangt, dass das Gemälde nicht an die Erben nach Robert Graetz zu restituieren ist.

Die Beratende Kommission legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass die Geschichte des Gemäldes auf bedrückende Weise mit drei – nimmt man den Portraitierten hinzu, mit vier – Verfolgungsschicksalen verknüpft ist. Die Beratende Kommission empfiehlt, dass die Stiftung Stadtmuseum Berlin diese Prove- nienz bei ihrem künftigen Umgang mit dem Portrait Alfred Kerr auf angemessene Art und Weise würdigt.

Die vollständige Begründung der Empfehlung findet sich auf beratende-kommission.de.

Berufung eines neuen Mitglieds in die Beratende Kommission

Im Einvernehmen mit den Kulturministerinnen und-ministern sowie den Kultursenatoren der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters Herrn Ministerpräsiden- ten a.D. Professor Jürgen Rüttgers in die Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, berufen. Die Beru- fung eines neuen Mitgliedes war nach dem Ausscheiden von Prof. Dr. Dr. Dietmar von der Pfordten notwendig geworden.

Beratende Kommission
Telefon +49 (0) 30 233 8493 87
Geschäftsstelle geschäftsstelle@beratende-kommission.de
Seydelstraße 18
10117 Berlin

English translation:

The Advisory Commission recommends that the Stiftung Stadtmuseum Berlin not restitute the painting 'Portrait of Alfred Kerr' by Lovis Corinth to the heirs of Robert Graetz


The Advisory Commission in connection with the restitution of cultural property seized as a result of Nazi persecution, in particular from Jewish ownership, unanimously decided on July 12, 2021, under the chairmanship of Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier in the case Heirs of Robert Graetz v. Stiftung Stadtmuseum Berlin, not to recommend the restitution of the painting Portrait of Alfred Kerr by Lovis Corinth to the Heirs of Robert Graetz.

The painting was part of the extensive art collection of Robert Graetz. Graetz was a successful entrepreneur and partner of the company Glass & Graetz oHG in Berlin. Because of his Jewish descent, he and his family were persecuted individually and collectively. His children from his first marriage managed to escape abroad, the son of his second wife Bluma Graetz was brought to England with a Kindertransport. After the invasion of the Soviet Union on June 22, 1941, Bluma Graetz was classified as an "enemy of the state" because of her nationality and extradited to Russia via Turkey, where she was forced to perform hard labour for six years. Robert Graetz was deported on the 14th transport to the Trawniki concentration camp near Lublin on April 14, 1942. A last message to his daughter has survived from the Warsaw Ghetto, dated June 16, 1942. He was declared dead on December 31, 1945.

In view of the persecution fate of the Graetz family, the Advisory Commission assumes that most of the family's extensive art collection was lost during National Socialism due to persecution. In the opinion of the Advisory Commission, however, it is not sufficiently probable that the painting in dispute was also seized from Robert Graetz as a result of persecution and that he may have been the primary victim. Furthermore, in this case, a settlement concluded in 1957 stands in the way of restitution. In this settlement, the heirs of Robert Graetz agreed with the then owners on the sale of the painting to the Schiller Theatre. On the basis of the settlement, the heirs of Robert Graetz received part of the proceeds of the sale as compensation. In its overall assessment, the Advisory Commission has therefore come to the conclusion that the painting is not to be restituted to the heirs of Robert Graetz.

However, the Advisory Commission attaches importance to the fact that the history of the painting is depressingly linked to three - if one adds the person portrayed, to four - fates of persecution. The Advisory Commission recommends that the Stiftung Stadtmuseum Berlin acknowledge this prominence in its future dealings with the Alfred Kerr portrait in an appropriate manner.

The full reasons for the recommendation can be found at beratende-kommission.de or by clicking here.

In agreement with the Ministers of Culture and the Cultural Senators of the federal states and the leading municipal associations, the Minister of State for Culture, Monika Grütters, has appointed former Minister President Professor Jürgen Rüttgers to the Advisory Commission in connection with the restitution of cultural property seized as a result of Nazi persecution, especially from Jewish ownership. The appointment of a new member had become necessary after the resignation of Prof. Dr. Dr. Dietmar von der Pfordten.



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