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Stücke aus der Sammlung Lemmers-Danforth werden restituiert

1998
1970
1945
Wetzlar 21 August 2020
 

Stücke aus der Sammlung Lemmers-Danforth gehen durch berechtigten Restitutionsanspruch an die Erben zurück.
Bei den beiden Stücken handelt es sich um das Madonnenrelief aus Pappmaché „Madonna in den Wolken“, eine sogenannte Cartapesta aus dem frühen 16. Jahrhundert, sowie um zwei aus Silber gegossene Salieren, wovon das Original vom Ende 16./Anfang 17. Jahrhunderts stammt und die vermutliche Nachbildung aus dem frühen 20. Jahrhundert.
Von der Firma Tandem Lagerhaus und Kraftverkehr Kunst GmbH, Köln, vertreten durch Klaus Kleine, wurden diese Stücke am Freitag, 21. August 2020, begutachtet und vermessen, um die für den späteren Transport benötigten Verpackungsmaterialen herzustellen.
Hintergrund
Der Provenienzforscher Dr. Udo Felbinger schrieb zu den Umständen des Erwerbs durch die Sammlerin: „Dr. Jakob Goldschmidt (1882 bis 1955) gehörte zu den zentralen Personen des Bankenwesens in der Weimarer Republik. Als allein haftender Gesellschafter der 1921/22 aus einer Fusion hervorgegangenen Darmstädter und Nationalbank wurde er vor allem von den Nationalsozialisten für die Bankenkrise vom Juli 1931 verantwortlich gemacht. Eine zentrale Rolle spielte dabei seine Identität als Jude. Goldschmidt flüchtete vor den daraus resultierenden Drohungen gegen sein Leben Anfang 1933 in die Schweiz. Sein Vermögen musste er in Deutschland zurücklassen. Einen Teil seines Vermögens, so seine Immobilien und seine Kunstsammlung, hatte er bereits 1931 für einen von Fritz Thyssen vermittelten Kredit an die Firma Thyssen verpfändet. Thyssen half ihm, seine Verbindlichkeiten zu decken, die Goldschmidt anschließend durch den Verkauf seines Berliner Hauses und anderen Besitz zurückzahlte.
Am 23. Juni 1936 ließ Goldschmidt im Auktionshaus Hugo Helbing in Frankfurt am Main anonym Teile seiner Kunstsammlung versteigern. Es war aber allgemein bekannt, dass es sich um die Sammlung Goldschmidt handelte. Auf dieser Auktion erwarb Dr. Irmgard von Lemmers-Danforth das unter der Nummer 68 angebotene Relief „Madonna in Wolken“ sowie die unter der Nummer 22/23 angebotenen beiden silbernen Salzschälchen. Ob ihr die Herkunft der Objekte bekannt war, ließ sich nicht feststellen.
Da die Versteigerung der Objekte nach Erlass der  diskriminierenden Nürnberger Gesetze stattfand, kann von fairen Bedingungen des Verkaufs nicht gesprochen werden. Durch die erzwungene Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit war Goldschmidt genötigt, seinen Besitz zu verkaufen. Außerdem war der Zeitpunkt des Verkaufs ungünstig, da der Kunstmarkt sich noch nicht von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise erholt hatte. Gleichzeitig waren weitere jüdische Sammler gezwungen, ihre Kollektionen zu verkaufen, unter anderem um die bei der Auswanderung erhobene „Reichsfluchtsteuer“ zu bezahlen. Inwieweit Goldschmidt über den Erlös der Auktion frei verfügen konnte, ist nicht mehr feststellbar. Es war ihm jedenfalls kaum möglich, den Erlös in die Schweiz zu transferieren, da die Reichsmark wegen der Weigerung der Nationalsozialisten, fällige Zinszahlungen für Kredite des Deutschen Reiches zu leisten, nicht mehr frei konvertierbar war. Die Versteigerung ist daher als Zwangsverkauf anzusehen.“

Stücke aus der Sammlung Lemmers-Danforth gehen durch berechtigten Restitutionsanspruch an die Erben zurück.


Madonnenrelief aus Pappmaché, frühes 16. Jahrhundert


Klaus Kleine, Firma Tandem/Köln, und Dr. Anja Eichler, Leiterin Städtische Museen, mit dem Relief aus Pappmaché „Madonna in den Wolken


Aus silber gegossene Salznäpfe/Salieren

Bei den beiden Stücken handelt es sich um das Madonnenrelief aus Pappmaché „Madonna in den Wolken“, eine sogenannte Cartapesta aus dem frühen 16. Jahrhundert, sowie um zwei aus Silber gegossene Salieren, wovon das Original vom Ende 16./Anfang 17. Jahrhunderts stammt und die vermutliche Nachbildung aus dem frühen 20. Jahrhundert.

Von der Firma Tandem Lagerhaus und Kraftverkehr Kunst GmbH, Köln, vertreten durch Klaus Kleine, wurden diese Stücke am Freitag, 21. August 2020, begutachtet und vermessen, um die für den späteren Transport benötigten Verpackungsmaterialen herzustellen.

Hintergrund

Der Provenienzforscher Dr. Udo Felbinger schrieb zu den Umständen des Erwerbs durch die Sammlerin: „Dr. Jakob Goldschmidt (1882 bis 1955) gehörte zu den zentralen Personen des Bankenwesens in der Weimarer Republik. Als allein haftender Gesellschafter der 1921/22 aus einer Fusion hervorgegangenen Darmstädter und Nationalbank wurde er vor allem von den Nationalsozialisten für die Bankenkrise vom Juli 1931 verantwortlich gemacht. Eine zentrale Rolle spielte dabei seine Identität als Jude. Goldschmidt flüchtete vor den daraus resultierenden Drohungen gegen sein Leben Anfang 1933 in die Schweiz. Sein Vermögen musste er in Deutschland zurücklassen. Einen Teil seines Vermögens, so seine Immobilien und seine Kunstsammlung, hatte er bereits 1931 für einen von Fritz Thyssen vermittelten Kredit an die Firma Thyssen verpfändet. Thyssen half ihm, seine Verbindlichkeiten zu decken, die Goldschmidt anschließend durch den Verkauf seines Berliner Hauses und anderen Besitz zurückzahlte.

Am 23. Juni 1936 ließ Goldschmidt im Auktionshaus Hugo Helbing in Frankfurt am Main anonym Teile seiner Kunstsammlung versteigern. Es war aber allgemein bekannt, dass es sich um die Sammlung Goldschmidt handelte. Auf dieser Auktion erwarb Dr. Irmgard von Lemmers-Danforth das unter der Nummer 68 angebotene Relief „Madonna in Wolken“ sowie die unter der Nummer 22/23 angebotenen beiden silbernen Salzschälchen. Ob ihr die Herkunft der Objekte bekannt war, ließ sich nicht feststellen.

Da die Versteigerung der Objekte nach Erlass der  diskriminierenden Nürnberger Gesetze stattfand, kann von fairen Bedingungen des Verkaufs nicht gesprochen werden. Durch die erzwungene Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit war Goldschmidt genötigt, seinen Besitz zu verkaufen. Außerdem war der Zeitpunkt des Verkaufs ungünstig, da der Kunstmarkt sich noch nicht von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise erholt hatte. Gleichzeitig waren weitere jüdische Sammler gezwungen, ihre Kollektionen zu verkaufen, unter anderem um die bei der Auswanderung erhobene „Reichsfluchtsteuer“ zu bezahlen. Inwieweit Goldschmidt über den Erlös der Auktion frei verfügen konnte, ist nicht mehr feststellbar. Es war ihm jedenfalls kaum möglich, den Erlös in die Schweiz zu transferieren, da die Reichsmark wegen der Weigerung der Nationalsozialisten, fällige Zinszahlungen für Kredite des Deutschen Reiches zu leisten, nicht mehr frei konvertierbar war. Die Versteigerung ist daher als Zwangsverkauf anzusehen.“

 

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