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Wie kam das Porträt von Schieles Schwester nach Zug? - How did the portrait of Schiele's sister come to Zug?

1998
1970
1945
SRF 22 March 2018

Das Kunsthaus Zug zeigt Werke der Stiftung Sammlung Kamm. Zwei frühe Werke von Egon Schiele fehlen jedoch. Sie stehen unter Raubkunst-Verdacht.

Bereits 2001 widmete das Kunsthaus Zug Egon Schiele eine Ausstellung.

«Das Kunsthaus Zug öffnet die Pforte zur hauseigenen Schatzkammer»: Unter diesem Slogan wurde in Zug kürzlich eine Ausstellung mit Werken von Gustav Klimt, Egon Schiele und weiteren Künstlern der Wiener Moderne eröffnet. Viele davon stammen von der Stiftung Sammlung Kamm, die mit dem Kunsthaus eng verbunden ist.

Verdacht auf Raubkunst

Zwei Werke von Egon Schiele fehlen jedoch in der Ausstellung. Denn der Verdacht steht im Raum, dass es sich bei ihnen um Raubkunst handelt. Anwälte und Provenienzforscher beschäftigen sich derzeit mit den Gemälden.

Es geht um zwei frühe Ölstudien von Egon Schiele. «Haus zwischen Bäumen II», heisst die eine. Die andere ist ein Porträt von Schieles Schwester Gerti im schwarzen Mantel.

«Porträt der Schwester des Künstlers, Gerti, in schwarzem Mantel», 1908, von Egon Schiele.

Unbestritten ist, dass die beiden Werke einst dem jüdischen Sammler Heinrich Rieger gehörten, der 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde.

«Verfolgungsbedingter» Verlust

«Dr. Rieger war ein bedeutender Kunstsammler in Wien und hat nach dem Anschluss die komplette Sammlung verloren», sagt Jörg Rosbach, Rechtsanwalt in Berlin.

Rosbach vertritt die Erben von Heinrich Rieger. Aus seiner Sicht deutet vieles darauf hin, dass die beiden Ölstudien «verfolgungsbedingt» verloren gingen. Das heisst, dass sie als Raubkunst einzustufen sind.

«Wir wissen nicht von allen Bildern, wann sie genau verloren gingen», erklärt Rosbach. «Bei diesen beiden Bildern wissen wir das aber recht gut. Denn Dr. Rieger hat im Dezember 1938 eine handschriftliche Liste über diejenigen Kunstwerke erstellt, die er noch hatte.»

Von Wien nach Zug

Nach dem Zweiten Weltkrieg war ein Grossteil der Werke aus Riegers Sammlung verschwunden. Manche tauchten später wieder auf, etwa in Museen. Einige wurden restituiert.

Bei den beiden Ölstudien von Egon Schiele lässt sich der Weg nach dem Krieg gut nachverfolgen: Ab 1948 befanden sie sich nachweislich in der Wiener Galerie Würthle.

Dieser Galerie, die «arisiert», also zwangsenteignet worden war, hatte Heinrich Rieger Ende der Dreissigerjahre viele seiner Werke überlassen. Über diese Galerie kamen die beiden Schiele-Werke von Wien nach Zug in die Sammlung des Stifter-Ehepaars Kamm.

«Es gibt bloss Vermutungen»

Ein klarer Fall also? Nein, sagt Alexander Jolles, Rechtsanwalt und Präsident der Zuger Stiftung Sammlung Kamm: «Gesicherte Hinweise, dass es sich um Raubkunst handelt, gibt es nicht. Es gibt bloss Vermutungen.»

Seit der Berliner Anwalt Jörg Rosbach vor bald zwei Jahren intervenierte, ist man in der Zuger Stiftung um Aufklärung bemüht.

Hier zeigen sich Probleme, die beispielhaft sind: «Provenienzforschung ist nicht googeln. Das ist eine ausserordentlich aufwändige Arbeit», sagt Alexander Jolles.

Suche nach Mosaiksteinen

Zeitzeugen gibt es keine mehr. Die Suche gilt Dokumenten, sagt Jolles: «Mosaiksteine, die etwas Licht in das Schicksal dieser beiden Werke und natürlich auch der Familie Rieger bringen würden.»

Doch solche Dokumente sind entweder nicht auffindbar – oder verschlossen in Privatarchiven. Das Lagerbuch aus der Wiener Galerie Würthle etwa könnte entscheidende Belege liefern.

Dieses Lagerbuch hat eine wahre Odyssee hinter sich. Zuletzt befand sich die Galerie Würthle im Besitz von Hans Dichand, dem Gründer der «Kronenzeitung».

Jolles glaubt, dass sich das Buch noch im Besitz der Familie befindet: «Die Tochter von Hans Dichand ist kunstsachverständig. Wir gehen davon aus, dass das Lagerbuch in ihrem Besitz ist. Aber es ist uns bisher nicht gelungen, an dieses Dokument zu gelangen.»

Wer hat die Beweispflicht?

Darüber, wie mit diesen Beweis-Lücken umgegangen werden soll, gehen die Meinungen zwischen Zug und Berlin auseinander.

Für Rechtsanwalt Alexander Jolles ist klar: «Eine Stiftung wie die unsrige hat nur beschränkte Mittel und kann nicht jahrelang irgendwelchen Mutmassungen nachsteigen, über die man vermutlich nie restlos Klarheit schaffen wird.»

Es sei letztlich an der Gegenseite, die nötigen Belege zu liefern, findet Alexander Jolles. Anwalt Jörg Rosbach widerspricht:«Das kann ich nicht verstehen.». Seiner Ansicht nach liegt die Beweislast bei der Sammlung Kamm.

Noch bekräftigen beide Seiten, man suche den Dialog. Eine Rückgabe-Forderung gibt es aus Berlin bisher nicht. Aber das kann sich ändern. So oder so wird sich die Zuger Stiftung in absehbarer Zeit entscheiden müssen, ob es gerecht ist, die Werke zu behalten.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 22.3.2018, 6:50 Uhr.

https://www.srf.ch/kultur/kunst/verdacht-auf-raubkunst-wie-kam-das-portraet-von-schieles-schwester-nach-zug
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