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Görlitz will NS-Raubkunst zurückgeben - Görlitz wants to return Nazi-looted art

1998
1970
1945
Sächsische Zeitung 27 January 2018
Von Daniela Pfeiffer

Von 150 ermittelten Exponaten sind noch neun da. Um Besitzer zu finden, werden sie nun ins Netz gestellt.

Als „kleine historische Geste“ bezeichnete der Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler das, was der Stadtrat am Donnerstag beschloss: Kunstgegenstände aus den Görlitzer Sammlungen, die eindeutig als Raubkunst aus der Nazizeit identifiziert werden konnten, sollen Alteigentümern oder deren Erben zurückgegeben werden. „Es gehört uns rechtmäßig nicht“, so Wieler. Es geht um insgesamt 150 eindeutige Funde, die alle zwischen 1933 und 1945 ins Museum kamen und nun zweifelsfrei als sogenannte Raubkunst ermittelt wurden. Dazu gab es ein von Bund und Land gefördertes Projekt, das zwischen 2016 und 2017 eine systematische Erforschung aller Neuzugänge aus den NS-Jahren ermöglichte.

Kunsthistorikerin Katarzyna Zinnow und Kulturwissenschaftlerin Silke Maria Hampel arbeiteten dafür unter anderem die Inventarbücher des Museums durch. Von insgesamt 1 500 Objekten musste die Herkunft geklärt werden, ein Zehntel erwies sich tatsächlich als Raubkunst. Allerdings sind heute nur noch neun in der Museumssammlung. Sieben herausragende Kunstwerke wurden zwischen 1998 und 2003 bereits an Erben der Eigentümer zurückgegeben. 134 Exponate gelten als kriegsbedingt verschollen.

Dass Görlitz NS-Raubkunst hat, ist schon länger bekannt. Schon in den 1990er-Jahre wusste man, dass aus jüdischen Privatsammlungen stammende Kunstwerke nach Görlitz gekommen waren. Umstritten ist dabei Siegfried Asche, der seinerzeit als Görlitzer Museumsdirektor über das Schlesische Museum Breslau Kunstwerke aus ehemals jüdischem Besitz bekommen hatte. Unter anderem zwei Gemälde von Lovis Corinth und Max Slevogt. Beide wurden inzwischen an Erben der früheren Besitzer zurückgegeben.

Das soll auch mit anderen Exponaten geschehen. Dass die Stadt jetzt handelt, liegt an der Washingtoner Erklärung von 1998, in der sich 44 Staaten dazu verpflichteten, Raubkunst zu identifizieren und nach Alteigentümern zu forschen. Dazu wurde die Website www.lostart.de eingerichtet, auf der nun auch die Görlitzer Kunstgegenstände veröffentlicht werden – mit dem Ziel, Alteigentümer oder Erben zu finden. Ist das der Fall, wolle sich die Stadt aber dennoch bemühen, die Kunstobjekte vielleicht kaufen zu dürfen – seien sie doch bedeutend für die Städtischen Sammlungen. Über Werte und Preise will Museumsdirektor Jasper von Richthofen derzeit nichts sagen. Es komme auf Verhandlungen an, er hoffe auf „normale Wege und normale Preise“. Fördermittel sind denkbar, denn „Ankauf funktioniert bei uns generell über Fördermittel“. Bei den Exponaten handelt es sich nicht nur um Zeichnungen, auch Gläser sind unter anderem dabei. Die Städtischen Sammlungen zeigen die neun Kunstwerke ab 16. Februar im Kaisertrutz – zusammen mit Reproduktionen der bereits zurückgegebenen beziehungsweise seit 1945 verschollenen Kunstwerke und Informationen zu den früheren Eigentümern. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf“, findet Jasper von Richthofen. „Und wir haben unsere Schuldigkeit getan.“

Im Stadtrat kam von der NPD-Fraktion die Frage nach Verjährung. Die müsse doch schon eingetreten sein, auch wenn es Unrecht bleibe. Doch diese Dinge sind nicht verjährt, das geht auch aus der Washingtoner Erklärung hervor. Und darum gehe es auch überhaupt nicht, wie Michael Wieler abschließend betonte: „Das hier ist keine Rechtsfrage, sondern Ausdruck politischen Willens.“ Der zeigte sich im Stadtrat recht eindeutig. Lediglich die beiden NPD-Räte stimmten gegen den Beschluss.

Ausstellung „NS-Raubkunst in den Görlitzer Sammlungen“: Vernissage am 16. Februar, 18 Uhr im Kaisertrutz, danach bis 11. November zu sehen.

http://www.sz-online.de/nachrichten/goerlitz-will-ns-raubkunst-zurueckgeben-3868548.html
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