News:

Rudolf von Alt: Vom Sammeln und Tauschen - Rudolf von Alt: from collecting to exchange

1998
1970
1945
Der Standard 15 October 2017
von Olga Kronsteiner

Über die Jahre gerieten historische Sammlerpersönlichkeiten in Vergessenheit. Für die auch in der NS-Zeit beliebten Aquarelle Rudolf von Alts täte verstärkte Provenienzforschung not

Ganze 90 Gulden, das war zu Lebzeiten Rudolf von Alts (1812-1905) schon ein stattlicher Preis für ein Aquarell, wie Ludwig Hevesi 1905 rückblickend zu berichten wusste. Lediglich einige wenige Großformate hatte der Künstler für 120 Gulden verkaufen können. Den weit größeren Profit streiften indes Kunsthändler und Auktionshäuser ein, wie folgende Episode zeigt.

Auf Anregung Ludwig Lobmeyrs hatte sich der vermögende Wollhändler und Kunstsammler Jakob Gsell auch für Werke Rudolf von Alts begeistert. Für Aquarelle bezahlte er einen Einheitspreis von je 35 Gulden und erwarb über die Jahre in Summe 300 Blätter vom Künstler. Als Gsells Nachlass 1872 im Künstlerhaus zur Versteigerung gelangte, trieben Baron Albert Rothschild und Eugen von Miller-Aichholz den Preis eines Aquarells bis auf stattliche 2500 Gulden.

Laut Verbraucherpreisindex entspricht das einem Gegenwert von rund 26.800 Euro, eine Größenordnung, in der seine Aquarelle teils bis heute gehandelt werden. Knapp 40 Prozent der international in Auktionshäusern erzielten Zuschläge erfolgen in einer Preisklasse zwischen 10.000 und 50.000 Euro.

Kommende Woche gelangen bei "im Kinsky" fünf Aquarelle Rudolf von Alts zur Auktion, die zwischen 1835 und 1875 entstanden. Die Angaben zu den Provenienzen sind jedoch mangelhaft und belegen, wie wichtig die Neuauflage eines Werkverzeichnisses für Aquarelle Rudolf von Alts im Hinblick auf die Forschungsergebnisse zu diversen Restitutionsfällen wäre. Allein die Datenbank "Lostart" führt 22 bis heute offene Causen. Denn Werke der Familie Alt waren in der NS-Zeit überaus beliebt, sowohl bei Reichsleiter Martin Bormann als auch bei Adolf Hitler. Nach dem Krieg fanden sich hunderte Blätter, deren Eigentümer unbekannt blieben und die in den Besitz deutscher und österreichischer Museen wanderten, wo man seit einigen Jahren um die Rekonstruktion der Herkunft bemüht ist.

Das 1975 von Walter Koschatzky, damals Direktor der Graphischen Sammlung Albertina (1962- 1986), publizierte Werkverzeichnis erweist sich dabei als wenig hilfreich. Auch in der erweiterten Neuauflage von 2001 finden sich bei den rund 1700 erfassten Arbeiten nur punktuell Hinweise zu Vorbesitzern.

Etwa zu erwähntem Eugen von Miller-Aichholz, einem Industriellen und Kunstsammler, der mit Rudolf von Alt befreundet war und eine "bemerkenswerte Sammlung von trefflichen Aquarellbildern" des Künstlers besaß, wie seinem Nachruf 1919 zu entnehmen ist. Dazu dürfte Koschatzky zufolge auch der auf bis zu 50.000 Euro taxierte Blick auf die Basilika San Francesco in Siena aus dem Jahr 1871 zählen. Der Verbleib des Aquarells von 1919 bis 2004, als es erstmals bei "im Kinsky" versteigert wurde, ist unbekannt.

Für die Innenansicht des Petersdoms in Rom (1835) wird im Auktionskatalog lediglich "Privatbesitz, Österreich" vermerkt. Im Werkverzeichnis findet sich unter den 42 für das Entstehungsjahr verzeichneten Blättern nur ein S. Pietro in Vaticano in Rom betiteltes Aquarell. "Ex. Figdor" führt Koschatzky an und meint damit den 1927 verstorbenen Bankier und legendären Kunstsammler Albert Figdor.

Sammlung Bloch-Bauer

Etwas detaillierter fielen die Angaben für den Hof des Dogenpalastes in Venedig aus. Laut Katalog habe es sich in der Sammlung Ferdinand Bloch-Bauers befunden, sei "während des 2. Weltkrieges (bis 1950)" in der Albertina in "Verwahrung" gewesen und an die Erben rückgestellt worden. Sieht man von dem für beschlagnahmte Kunst aus jüdischem Besitz ungewöhnlichen Begriff einer Verwahrung ab, sind die Informationen unrichtig. Sie wurden ungeprüft aus einer Publikation der Galerie C. Bednarcyk aus dem Jahr 1991 übernommen, für die Koschatzky verantwortlich zeichnete.

Tatsächlich war das Aquarell erst 1950 über den Tauschweg in den Besitz der Bloch-Bauers gekommen, erzählt Sophie Lillie. Denn die Behörden hatten der Familie die Ausfuhr eines anderen Aquarells "wegen seiner künstlerischen und topografischen Wichtigkeit" verweigert. Konkret wollte man Das Portal der Kirche des Stiftes Nonnberg (1887) behalten und tauschte es gegen eine Doublette, die nun zur Auktion gelangende Ansicht des Dogenhofes.

Diese war im April 1939 über den sogenannten Museums-Interessenausgleich von der Staatsgalerie (Belvedere) an die Albertina überstellt worden. Informationen des Research Center zufolge war es über die Verlassenschaft des 1936 verstorbenen Rechtsanwaltes Emil Suess in den Bestand des Belvedere gekommen.

Und die laut dem Protokoll von Jänner 1950 vermeintlich "dauernd für den österreichischen Staatsbesitz" gesicherte Trophäe? Sie war im Dezember 2013 Gegenstand einer Empfehlung des Kunstrückgabebeirates. Demnach sei Alts Portal der Kirche des Stiftes Nonnberg zu restituieren, vorausgesetzt, dass Ferdinand Bloch-Bauers Nachfahren das 1950 erhaltene Aquarell oder dessen Wert zurückerstatten. Dieses Werk wird derzeit noch in der Albertina verwahrt. Das Tauschobjekt hatten die Erben Ende der 1980er-Jahre an die Kunsthändlerin Elisabeth Sturm-Bednarcyk verkauft, von der es in den Besitz der jetzigen Verkäufer wechselte.

https://www.derstandard.de/story/2000065971568/rudolf-von-alt-vom-sammeln-und-tauschen
© website copyright Central Registry 2024