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Schwimmen Bern die Felle davon? - Will Berne lose the exhibition?

1998
1970
1945
Der Bund 20 July 2016
von Brigitta Niederhauser

Im Fall Gurlitt sind 91 Bilder neu unter Raubkunstverdacht. Kommen also Highlights der Sammlung nicht nach Bern?

Einer der grossen Schätze, die in Gurlitts Salzburger Haus gehoben wurden: «Seestück » (Ausschnitt) von Edouard Manet aus dem Jahr 1873

Die Ankündigung tönt grossartig: «Wir sind unserem Ziel, den Fall Gurlitt zügig und transparent aufzuarbeiten, einen guten Schritt nähergekommen», wird Uwe M. Schneede, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, in der Pressemitteilung zitiert.

Der «gute Schritt» besteht darin, dass die Zwischenberichte, die sogenannten Object Record Excerpts, zur Herkunft von 189 Werken aus dem Salzburger Nachlass ab sofort auf der Internetseite der «Provenienzrecherche Gurlitt» öffentlich zugänglich sind.

Weiter wird mitgeteilt, dass bei den wissenschaftlichen Recherchen sich in 91 Fällen von mittlerweile 502 vorrangig bearbeiteten Werken der Verdacht auf Raubkunst erhärtet habe. Welche Bilder unter Raubkunst stehen, interessiert nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass diese Werke nicht nach Bern kämen, sollte denn das Kunstmuseum dereinst als Siegerin aus dem Erbstreit hervorgehen.

Für das Museum ist es also ziemlich entscheidend, ob die Glanzstücke der Sammlung, die in Salzburg sichergestellt wurden, «sauber» sind oder nicht. Hängt doch die Attraktivität der Gurlitt-Sammlung von diesen Werken ab, deren Wert weit höher eingeschätzt wird als jener, die in München sichergestellt wurden.

Cézanne und Monet unter Verdacht

Doch wen es nun wundernimmt, um welche Werke es sich bei den 91 verdächtigen handelt, der wird auf der Webseite des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste in Magdeburg, wo die «Provenienzrecherche Gurlitt» betrieben wird, nicht fündig .

Nach einigem Suchen findet man zwar die Object Record Excerpts, doch die Liste ist nicht nur unübersichtlich gestaltet, welches die 91 fraglichen Werke sind, ist nicht vermerkt. Nicht nachvollziehbar ist weiter, warum die Kunstwerke nicht nach Künstlern aufgelistet sind, sondern alphabetisch nach ihren Titeln.

Ziemlich willkürlich wirkt zudem diese Aufstellung, weil bei einem französischen Künstler der Titel seiner Werke mal auf Deutsch, mal auf Französisch steht. Die Liste mit den 91 Verdachtsfällen gibts nur auf Anfrage – in seltsamer Form allerdings. «Cézanne, 532974» steht da zum Beispiel.

Die Nummer ist jene, unter der das Kunstwerk in der Datenbank Lostart.de aufgeführt ist. Dahinter verbirgt sich «La Montagne Sainte-Victoire», das als eines der absoluten Highlights der Sammlung gilt und ein Schlüsselwerk der klassischen Moderne ist.

So wie Manets «Seestück», das neu auch unter Raubkunstverdacht steht. Weiter müssen gemäss Liste unter anderem Werke von Renoir, Pissarro, Munch und Liebermann abgeklärt werden. Da die Liste sich ja vor allem an potenzielle Erben richtet, erstaunt der komplizierte Zugang umso mehr.

Und wenig plausibel ist die Erklärung, die Andrea Baresel-Brand, Leiterin der «Provenienzrecherche Gurlitt», liefert: Je nach Forschungserkenntnis könnte ein Werk auch wieder aus der Kategorie der erhärteten Verdachtsfälle fallen. «Aus Gründen der Transparenz haben wir uns bewusst für die Publikation von Zwischenständen in Gestalt der Object Record Excerpts entschieden.»

Das Warten geht weiter

Die jüngsten Abklärungen der Sammlung zeigen also, dass es noch eine Weile dauern kann, bis alle Raubkunstverdachtsfälle abgeklärt sind. Doch für das Kunstmuseum geht das Warten so oder so weiter: Erst im Oktober wird der nächste Gerichtsentscheid im Erbstreit erwartet.

http://www.derbund.ch/kultur/kunst/Schwimmen-Bern-die-Felle-davon/story/28678430
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