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Elsa Gall oder Die verschleppte Restitution

1998
1970
1945
Der Standard 2 May 2016
By Olga Kronsteiner

Die in der NS-Zeit entzogene Sammlung Elsa Galls hat bei Provenienzforschern nur geringe Priorität. Im Oberösterreichischen Landesmuseum wartet ein Gauermann-Bild seit 2009 auf eine Entscheidung

Wien – Im Zuge der systematischen Überprüfung von Beständen in österreichischen Museen konnten unzählige Raubkunstfälle geklärt werden. Und doch gibt es Causen, die in der Provenienzforschung wenig bis keine Priorität genießen – weil die in der NS-Zeit entzogene Kunstsammlung eventuell nicht bedeutend genug war und die einstigen Besitzer zu wenig prominent waren, vielleicht auch weil es keine Erben gibt, die in jüngerer Zeit Ansprüche deponierten.

So vielfältig die Gründe sein mögen, es ändert nichts am Er gebnis, wie der Fall Hermann und Elsa Gall belegt. Es ist eine jener Kunstsammlungen, deren Entzugsgeschichte Sophie Lillie bereits 2003 (Was einmal war, Czernin) publizierte. Das Gall-Kapitel fand jedoch kaum Beachtung.

1932 war Hermann Gall, Inhaber des Verlags und der Kunsthandlung Halm & Goldmann, verstorben und vererbte seiner Witwe Elsa, geborene Goldmann, sowohl die Sammlung als auch die Firma. Im März 1938 erfolgte die Arisierung durch den Kunstverleger Ernst Edhoffer und den Radierer Luigi Kasimir.

Drei Monate später suchte Elsa Gall um die Ausfuhr ihrer Kunstsammlung und der Einrichtungsgegenstände an, die jedoch nie erfolgte. Die damals 56-Jährige flüchtete nach Frankreich und von dort 1939 in die USA. Ihr bei einer Spedition eingelagertes Umzugsgut wurde im November 1940 von der Gestapo beschlagnahmt und von der Vugesta im Freihandverkauf oder über das Dorotheum verwertet.

Verwechslung

Dazu gehörte etwa ein Bild von Robert Russ, das in den Bestand des Wien-Museums gelangte. Wie berichtet (15.4.), wurde Straße in Arco bereits 2006 restituiert, jedoch an eine falsche Erbengruppe – aufgrund einer Verwechslung, die einem beschreibenden Bild titel geschuldet war, wie der STANDARD nachweisen konnte.


2006 restituierte das Wien Museum dieses Gemälde von Robert Russ ("Straße in Arco") an die "falschen" Erben nach Melanie Popper. Tatsächlich gehörte das Gemälde, das 2014 bei "im Kinsky" versteigert wurde, jedoch einst Elsa Gall, deren Sammlung in der NS-Zeit entzogen wurde.

Im Wien-Museum ist man um eine schnellstmögliche Lösung bemüht. Die Erben nach Franz und Melanie Popper, die das Bild 2014 versteigern ließen, wurden bereits kontaktiert, eine Antwort stehe noch aus, heißt es auf aktuelle Anfrage. Die Causa Gall stehe in der nächsten Sitzung sowieso auf der Agenda, wie Michael Wladika, einer der beiden zuständigen Provenienzforscher, bestätigt. Konkret geht es dabei um Johann Baptist Lampis Porträt eines Herrn im Roten Hausrock im Bestand des Museums, das einst ebenfalls Gall gehörte.


Johann Baptist Lampis "Porträt eines Herrn im Roten Hausrock" aus der Sammlung Elsa Galls gelangte 1941 über eine Versteigerung im Dorotheum in den Bestand des Wien Museums.

Dem im BDA-Archiv verwahrten Akt zufolge hatte ein Rechtsanwalt im April 1948 mit der Suche nach ihren Kunstwerken begonnen. Als Grundlage dienten eine nachträglich rekonstruierte Liste und zugehörige Fotografien der Kunstwerke. Einen Monat später bestätigte das Dorotheum, das Lampi-Bild versteigert zu haben. Der Ersteher sei jedoch "unbekannt, da die Post bei der Auktion bar bezahlt wurde".


Friedrich Gauermanns "Landschaft mit Kühen" stammt ebenfalls aus der Sammlung Galls, wurde einst für das Führermuseum erworben und landete schließlich im Bestand des Oberösterreichischen Landesmuseums. Die Provenienz ist dort seit 2009 bekannt. Eine Entscheidung über die Rückgabe wurde bislang nicht getroffen

Die Zahl der bis 1956 gefundenen und restituierten Kunstwerke beschränkte sich auf exakt zwei: Auf das Porträt der Familie Zwiebrücken von Dorner (Central Collecting Point München) und Rudolf von Alts Der Veitsdom in Prag von 1850. Letzteres fand sich in der 1951 bei einem ehemaligen Hausangestellten Martin Bormanns sichergestellten Sammlung des Reichsleiters. Über welche Kanäle Bormann an das Alt-Gemälde kam, ist unbekannt.

Stecknadel im Heuhaufen

Der Rest der Gall’schen Sammlung blieb verschollen. Etwa auch ein als Gebirgslandschaft mit Kühen bezeichnetes und auf 1825 datiertes Ölbild von Friedrich Gauermann. STANDARD-Recherchen zufolge befindet sich das einst für das Führermuseum angekauft Bild im Oberösterreichischen Landesmuseum. Die Gall-Provenienz kenne man seit 2009, erklärt Birgit Kirchmayer, die bis 2014 dort für Provenienzforschung verantwortliche Historikerin.

Der zweifelsfreie Beweis für die Eigentümerschaft fand sich in Form eines Fotos in der Such kartei des BDA-Archivs. Die Suche nach den Erben gestaltet sich schwierig und wurde 2009 an die IKG ausgelagert – wenig erfolgreich. Es handle sich um die Suche der Stecknadel im Heuhaufen, erklärt Erika Jakubovits (IKG-Exekutivdirektorin).

Warum Oberösterreich noch nicht über eine Restitution entschied? Dem Vernehmen nach sei dies von der Identifikation der Anspruchsberechtigten abhängig. Die Gesetzgebung sagt etwas anderes: Finden sich keine Erben, dann sind solche Kunstwerke "ei ner Verwertung zuzuführen", deren Erlös Opfern des Nationalsozialismus oder entsprechenden Einrichtungen" zu übereignen ist.

http://derstandard.at/2000036168291/Elsa-Gall-oder-Die-verschleppte-Restitutio
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