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»Alle wissen um die Brisanz« - "Everyone's aware of the explosiveness of the issues"

1998
1970
1945
Zeit Kunstverlag 24 June 2015
 

 

Raubkunst, Restitution, Provenienzforschung: Seit dem Fall Gurlitt werden diese Themen für Sammler und Kunsthändler immer wichtiger. Ein Expertentalk

Der Münchner Kunsthandel Arnoldi-Livie vermittelte Ferdinand Anton Krügers "Pilger" (1822), nachdem das Berliner Kupferstichkabinett 2012 die Zeichnung mit anderen Werken an die Erben des 1938 enteigneten und emigrierten Michael Berolzheimer zurückgegeben hatte; Abb.: Arnoldi-Livie, München

Der Fall Gurlitt hat der Welt drastisch vor Augen geführt, dass die Schatten der NS-Zeit im Kunstbetrieb eher länger als kürzer werden. Die Sensibilität gegenüber Raubkunst aus ehemals jüdischem Besitz hat enorm zugenommen, doch meist ging es bislang um die Werke, die sich heute in Museen befinden. Welche Konsequenzen aber ergeben sich für den Kunsthandel, dem in den letzten anderthalb Jahren gern pauschal Nachlässigkeit vorgeworfen wurde? Dieser Aspekt der Raubkunst-Debatte erhielt bislang nicht die nötige Aufmerksamkeit. Zusammen mit dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) lud die WELTKUNST drei involvierte Experten ein, um über die Situation im Kunsthandel zu diskutieren.

Der Kunsthandel hat derzeit keinen allzu guten Ruf, wenn es um den Umgang mit Raubkunst aus der NS-Zeit geht.

SIBYLLE EHRINGHAUS: Wer darüber urteilt, ist meist mit den realen Verhältnissen im Kunsthandel nicht vertraut. Die Provenienzforschung und die Fragen, die damit zusammenhängen: Das steht doch alles erst am Anfang, und der Kunsthandel ist vielleicht das schwierigste Terrain. Hier müssen klare, allgemeingültige Positionen erst noch gefunden werden. Ganz anders als in den Museen, für die es seit der Washingtoner Erklärung von 1998 anerkannte Regeln gibt. Natürlich tummeln sich auf allen Gebieten schwarze Schafe – auch Kunsthändler, die sich den neuen Entwicklungen gegenüber sperren und sich nicht aktiv um Restitutionen an rechtmäßige Erben bemühen. Aber viele andere sind sehr offen und agieren mit Bedacht.

KATHARINA GARBERS-VON BOEHM: In unserer Arbeit als Anwälte für Kunstrecht haben wir durchaus unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Da gibt es schon Situationen, in denen wir bei Händlern nach einem Einlieferer, etwa aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren, fragen und dann als Antwort kommt: »Alle Unterlagen von damals sind in einem Hochwasser untergegangen.« Aber es gibt eben auch Firmen, die ganz offen mit den alten Geschäftsbüchern umgehen, besonders vorbildlich das Auktionshaus Neumeister, das alle Handkataloge aus der Nazizeit digitalisiert und öffentlich zugänglich gemacht hat.

Potenziell kann jedes Kunstwerk, das vor 1945 entstanden ist, NS-Raubgut sein. Was bedeutet das für den Kunsthandel?

THOLE ROTERMUND: Das heißt, dass wir intensiv die Herkunft der Werke erforschen und auch dokumentieren müssen. Eine hundertprozentige Aufklärung ist aber leider in einigen Fällen unmöglich, weil die Quellen nicht genügend hergeben oder uns Informationen versperrt sind. Dennoch können wir eine ganze Menge tun, und ich denke, das ist in meinem Bereich mittlerweile auch Usus. Ein Werk, an dem in irgendeiner Form der Makel von nicht restituierter Raubkunst haftet, ist für mich als Kunsthändler quasi tot: absolut unverkäuflich. Daher kann es nur in meinem Interesse sein, dass ich alles tue, um herauszufinden, ob die Provenienz und das Werk in jeder Hinsicht unbedenklich sind. Und darf im positiven Umkehrschluss auch nicht vergessen: Je mehr ich über eine Arbeit weiß, desto interessanter und auch werthaltiger wird sie.

GARBERS-VON BOEHM: Wir Anwälte merken, dass die Sensibilität zu NS-Raubkunst und Provenienzforschung wächst. Es melden sich nicht nur mehr Anspruchsteller, sondern eben auch der Handel und neuerdings zunehmend Privatsammler. Alle wissen um die Brisanz und wollen Dinge klären.

ROTERMUND: Trotzdem sollten wir uns hüten, alle Werke, die vor 1945 entstanden, als grundsätzlich raubkunstverdächtig zu betrachten. Da ist beinahe eine Art Gurlitt-Übereifer entstanden. Wir müssen zunächst immer die Unschuld vermuten – das ist ja auch ein wichtiges juristisches Prinzip – und dann herausfinden, ob es vielleicht doch irgendeine Belastung gibt.

GARBERS-VON BOEHM: Ich stimme grundsätzlich zu. Aber faktisch hat sich in der Praxis durch die Sensibilisierung für den Handel eine Art »Umkehr der Beweislast« durchgesetzt. Sie haben es selbst gesagt, dass Sie von vornherein zu jedem Werk versuchen, die Zeit zwischen 1933 und 1945 zu dokumentieren. Je besser eine Provenienz dokumentiert ist, umso sicherer kann der Käufer sein, hinterher keine Probleme mit dem Werk zu bekommen. Das wirkt sich auch auf den Preis aus.

EHRINGHAUS: Gerade in der Presse wird ja gern der Kunsthandel oder das Auktionswesen kritisiert, wenn dort als Provenienz lapidar nur »Privatsammlung Norddeutschland« angegeben wird. Wenn Sie die Unschuldsvermutung anführen, sollte es korrekt heißen: »Privatsammlung Norddeutschland, mehr konnte noch nicht recherchiert werden«. Aber ich bin sicher, die notorische »Privatsammlung Norddeutschland« wird es in Zukunft nicht mehr geben.

Eine westdeutsche Sammlerfamilie besitzt seit den Sechzigern ein Liebermann-Gemälde. Jetzt stellt sich heraus, dass es einst einer verfolgten jüdischen Familie gehörte. Was raten Sie den Besitzern?

GARBERS-VON BOEHM: Letztlich ist es eine moralische Frage, die jeder für sich entscheiden muss. Wenn die Familie etwas tun will, empfehlen wir, nach Erben der beraubten Eigentümer zu suchen. Dann kann man sich mit ihnen irgendwie einigen. Formaljuristisch wäre der gutgläubige Sammler in Ihrem Beispiel Eigentümer. Faktisch aber wäre das Werk in der heutigen Zeit nicht veräußerbar.

EHRINGHAUS: Ich erhalte immer öfter solche Anfragen, kürzlich kam ein Brief aus England. Jemand besaß eine Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert und wusste nur, dass sie aus dem Hannoveraner Raum stammte. Er wollte einfach mehr darüber wissen. In dem Fall konnte ich nicht helfen, es war zu speziell.

Wie findet man als Sammler einen geeigneten Provenienzforscher?

EHRINGHAUS: Die Vereinigung, in der Provenienzforscher, national wie international, versammelt sind, konstituiert sich gerade als eingetragener gemeinnütziger Verein: der Arbeitskreis für Provenienzforschung e.V. An ihn kann man sich wenden. Wir haben aber jetzt schon ein Portal im Internet, in dem wir uns gegenseitig auf Rechercheanfragen aufmerksam machen.

Was kostet eine Provenienzrecherche?

EHRINGHAUS: Das hängt ganz vom Aufwand ab. In einer Erstrecherche kann man oft schon in einer Stunde einiges herausfinden. Das ist dann nicht so teuer. Ich will hier keine konkreten Zahlen nennen. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker gibt auf seiner Internetseite Honorarempfehlungen, das sind gute Richtwerte. Der Rest ist Verhandlungssache zwischen Provenienzforscher und Auftraggeber.

Immer wieder wurde im Zug des Gurlitt-Falls nach neuen Gesetzen gerufen.

GARBERS-VON BOEHM: Jeder Fall liegt anders, jedes Werk, jedes Kunstgeschäft hat seine eigene Geschichte. Da kann auch der Gesetzgeber Zweifelsfälle nicht restlos beseitigen. Das sieht man in Österreich, wo es zwar ein Restitutionsgesetz gibt, dieses aber dennoch nicht alle Probleme löst.

ROTERMUND: Ein gravierendes Problem ist die Tatsache, dass viele Informationen häufig entweder nur sehr schwer zugänglich oder gar nicht vorhanden sind. Was ist, wenn ich
im guten Glauben ein Werk erworben habe und zu diesem Zeitpunkt beim Kauf einfach nicht wissen konnte, dass es einst einer beraubten jüdischen Familie gehörte? Wer haftet bei einer Rückgabe? Wer trägt den finanziellen Verlust? Das betrifft sowohl Sammler als auch Händler.

GARBERS-VON BOEHM: Hier klaffen die Realität des Kunstmarktes und die eigentliche Rechtslage in Deutschland auseinander. Ein Rückgabeanspruch ist in den allermeisten Fällen verjährt. Auktionshäuser können im Unterschied zum Kunsthandel über die Versteigerung gutgläubig Eigentum verschaffen. Diesen gutgläubigen Erwerb, Herr Rotermund, gibt es durch den Kunsthändler so nicht. Wenn etwas unrechtmäßig abhanden gekommen ist, kann es grundsätzlich nicht gutgläubig als Eigentum erworben werden – außer durch Ersitzung, die aber zehn Jahre Gutgläubigkeit voraussetzt. So lange hat ein Händler aber meist ein Werk nicht bei sich. Dennoch ist der Herausgabeanspruch des ursprünglichen Eigentümers nach dreißig Jahren verjährt. Eigentum und Besitz fallen dann dauerhaft auseinander. Das ist juristisch sehr komplex. Der moralische Makel, der an Werken mit NS-Hintergrund haftet und sie nicht mehr handelbar macht, solange es keine Einigung mit den alten Eigentümern gibt – dieser Makel verjährt aber nicht. Das ist in der Rechtsprechung bislang nicht berücksichtigt.

Welche Sicherheit, dass ein Bild keinen solchen Makel hat, kann ein Kunsthändler seinen Kunden denn bieten?

ROTERMUND: Ich kann versichern, dass ich die Geschichte des Werks nach bestem Wissen und Gewissen erforscht habe. Wir arbeiten ja im BVDG gerade an einem Ehrenkodex für den An- und Verkauf von Kunst. Dazu gehört, sämtliche kritischen Punkte der Provenienzen abzuklopfen, natürlich die einschlägigen Datenbanken wie Lost Art oder Art Loss Register zu konsultieren, aber auch in die Bibliotheken und Archive zu gehen. Wenn ich ein Alarmsignal entdecke, das sich nicht zweifellos ausräumen lässt, dann lasse ich die Finger von dem Werk – schon im eigenen Interesse. Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass in 20, 30 Jahren neue Erkenntnisse aufkommen, aber ich kann garantieren, jetzt alles getan zu haben, was möglich ist. Ich glaube, das ist schon ein ganz großes Maß an Sicherheit.

EHRINGHAUS: Da unterscheiden sich Händler und Auktionshäuer überhaupt nicht von Museen. Auch in den öffentlichen Sammlungen akzeptiert man bei der Provenienzforschung Wissenslücken. Das geht ja gar nicht anders, sonst ist man nicht mehr handlungsfähig. Die Museen sitzen selbst im Glashaus, wenn über Kunsthandel oder Auktionswesen geschimpft wird. Ich kenne kein Museum, das Werke ohne Provenienzlücken besitzt.

GARBERS-VON BOEHM: Es wird immer Wissenslücken geben – das Vakuum, wo keiner Schuld hat.

Es wird oft gesagt, das Restitutionswesen sei schlecht für den Handel.

GARBERS-VON BOEHM: Das Gegenteil ist der Fall. Gerade die großen internationalen Auktionshäuser akquirieren dadurch viele kapitale Werke, die sich bestens verkaufen – schon weil sie meist jahrzehntelang nicht auf dem Markt waren. Sobald man seine Geschichte kennt und die Ansprüche der rechtmäßigen Erben berücksichtigt sind, macht das ein Kunstwerk absolut marktfähig. Transparenz ist das entscheidende Stichwort.

ROTERMUND: Problematisch wird es, wenn ich ein Werk ohne Kenntnis seiner Raubkunstbelastung erworben oder es bereits wieder verkauft habe. Dem Kunden müsste ich das Geld zurückzahlen, schließlich bin ich da in der Verantwortung. Auch die Einigung mit berechtigten Anspruchstellern kann mich unter Umständen viel Geld kosten, da mir ja im Zweifelsfall niemand meinen Ankaufspreis ersetzt. Im Bereich der klassischen Moderne geht es dabei um fünfstellige Beträge, meistens mehr – das kann für einen Händler den Ruin bedeuten.

Es wird ja derzeit gern die Forderung erhoben, der Kunsthandel müsse für die Provenienzforschung generell seine Dokumente offenlegen.

GARBERS-VON BOEHM: Es gibt kein Gesetz, das so etwas rechtfertigen würde. Das sind Geschäftsunterlagen, für die gibt es gesetzliche Aufbewahrungspflichten, aber grundsätzlich keine Offenlegungspflichten für jedermann. Zudem gilt natürlich, dass auch Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gewahrt werden müssen. Man ist also bislang auf den guten Willen angewiesen.

ROTERMUND: Für mich ist selbstverständlich, dass ich die komplette Provenienz eines Werkes angebe, vor allem auch aus den kritischen Jahren zwischen 1933 und 1945. Über meine direkten Einlieferer muss ich allerdings Diskretion wahren. Wie Frau Garbers-von Boehm schon sagte, der Datenschutz ist in Deutschland hoch angesiedelt, und das ist grundsätzlich auch gut so.

Als erster Privatmann willigte Cornelius Gurlitt ein, seine Sammlung im großen Stil nach den Washingtoner Prinzipien erforschen zu lassen und alle Raubkunstwerke zu restituieren. Wird das Schule machen?

GARBERS-VON BOEHM: Da war Gurlitt tatsächlich ein Pionier. Ein allgemeines Umdenken dadurch sehe ich zwar nicht, aber es wurde mit Sicherheit eine Diskussion angestoßen. Im Handel bestimmen ohnehin schon die Washingtoner Prinzipien das Geschehen. Faktisch gelten sie spätestens, wenn ein Werk auf den Markt soll. Denn mit einer Provenienz, die NS-verfolgungsbedingten Entzug nahelegt, oder einem Eintrag bei Lost Art, ist es praktisch nicht mehr handelbar.
Sind die Sammler durch die Raubkunstdebatten verunsichert?

ROTERMUND: Verunsichert würde ich nicht sagen, aber sie sind sensibilisiert, genauso wie der Kunsthandel auch.

Viele Kunsthändler haben im »Dritten Reich« von der Vertreibung, Beraubung und auch der Ermordung der Juden profitiert. Wie sehr lastet diese Hypothek noch auf dem deutschen Handel?

ROTERMUND: Kaum ein Unternehmen, das in jener Zeit aktiv mitgemischt hat, gibt es heute noch. Von diesen auf den gesamten deutschen Kunsthandel zu schließen wäre unfair. Als jüngerer Händler trage ich keine Schuld, moralisch und gegebenenfalls auch wirtschaftlich betrifft mich das Ganze jedoch durchaus. Aber wenn schon die Schuldfrage gestellt wird: Wer trägt den Sachschaden, wenn ich gutgläubig ein belastetes Werk erwerbe? Müsste nicht die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des »Dritten Reichs« Verantwortung übernehmen?

Sie meinen einen Haftungsfonds wie zur Absicherung der Banken?

ROTERMUND: Ja, etwas in der Art. Ich finde, das wäre eine Diskussion wert.

EHRINGHAUS: So ist es in der Besitzkette von Raubkunst: Den Letzten beißen die Hunde.

GARBERS-VON BOEHM: Ja, das stimmt, in der Juristerei kommt das leider durchaus vor.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ja als Reaktion auf den Fall Gurlitt das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gegründet. Nimmt der Staat hier nicht Verantwortung wahr?

EHRINGHAUS: Die Gründung des Zentrums ist bislang für uns nicht mehr als das Angebot einer Dachorganisation. Ein »Dach« allein kann aber zur Erforschung von Raubkunst zunächst keinen Fortschritt bedeuten. Wir werden sehen. Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn es dort eine Art von Beratung für Anspruchsteller gibt. Aber diejenigen, die für den Kunsthandel, Auktionswesen oder Privatbesitzer forschen, sollten von dort weder beaufsichtigt noch kontrolliert werden; das geht nicht. Probleme bietet für mich vor allem die in Magdeburg betreute Internet-Datenbank Lost Art. Ich war selbst beauftragt, hierfür Daten zu verifizieren, deshalb weiß ich, wovon ich spreche. In Anbetracht der Menge und Dichte der Informationen steht hier eine riesige Aufgabe bevor. Dies und die Tatsache, dass für die meisten Angaben bis heute Quellenhinweise fehlen, halte ich für einen Skandal. Die aktuelle Situation steht jedenfalls in keinem Verhältnis zur Relevanz der Datenbank. Sie wird schließlich weltweit konsultiert.

GARBERS-VON BOEHM: Sicher ist da einiges verbesserungsbedürftig, aber Lost Art ist aus Sicht der Anspruchsteller trotzdem ein guter Anfang. Andererseits ist das, was Sie beschreiben, Frau Ehringhaus, ein echtes Problem. Denn ein Lost-Art-Eintrag hat für den möglicherweise gutgläubigen Eigentümer eines Kunstwerks enorme Konsequenzen.

ROTERMUND: Das ist doch genau die Misere: Diese Unsicherheitsfaktoren stellen uns Händler immer wieder vor Probleme. Erst wenn wir Klarheit über eine Provenienz haben, können wir über Restitutionen oder andere Einigungen mit den Erben verhandeln.

Braucht der Kunsthandel eine strengere Regulierung?

ROTERMUND: Das hören wir jetzt natürlich häufig. Ich frage mich nur, was neue Gesetze konkret bringen sollen. Viel wichtiger ist doch die freiwillige Selbstverpflichtung der Händler, sorgfältig und verantwortungsvoll mit diesem Thema umzugehen.

GARBERS-VON BOEHM: Die Schwachstelle, die wir in Deutschland aus der Sicht der Anspruchsteller haben, ist natürlich die Verjährung. Das Bundesjustizministerium prüft gerade, ob man diese für bestimmte Fälle von NS-Raubkunst abschafft. Das wäre aber kein Gesetz, das sich speziell an den Handel richtet, sondern an alle Besitzer von Kunst mit heikler Geschichte.

EHRINGHAUS: Wenn sich ein Privatbesitzer wie Cornelius Gurlitt freiwillig den Washingtoner Prinzipien anschließt, dann stellt sich die Frage der Verjährung sowieso nicht mehr. Außerdem wird hinter den Kulissen bereits viel zurückgegeben. Natürlich gibt es im Auktionswesen Einlieferer, die bei Bekanntwerden einer Raubkunstbelastung ihre Stücke zurückziehen und keine Einigung mit den Erben wollen. Das kann jeder Besitzer selber entscheiden, und so sollte es auch bleiben.

Wie lange wird uns die NS-Raubkunst noch beschäftigen?

EHRINGHAUS: Es fängt erst an.

ROTERMUND: Das glaube ich auch. Viele Erkenntnisse ergeben sich ja erst durch die zunehmende Erreichbarkeit und Vernetzung von Informationen. Da steht die Provenienzforschung noch ziemlich am Anfang.

GARBERS-VON BOEHM: Wir dürfen nicht vergessen, wie viel in der Nazizeit beschlagnahmt wurde. Das geht in die Hunderttausende. Da ist noch sehr viel zu erforschen.

EHRINGHAUS: Bislang ging es meist um Raubkunst in Museen, dafür wurden ja die Washingtoner Prinzipien verabschiedet. In Zukunft werden sicher Privatsammlungen eine viel größere Rolle spielen. Vor allem aber auch die Frage: Was ging ins Ausland? In die USA oder nach Südamerika? Große bekannte Händler, die mit Raubkunst zu tun hatten, saßen nicht nur in Berlin und München, sondern auch in Den Haag oder Buenos Aires. Zum Teil existieren ihre Firmen noch. Dort sind sicher eine ganze Menge belasteter Werke. Das internationale Netzwerk der Provenienzforscher formiert sich ja gerade erst. Da wird noch viel mehr passieren.

Das Gespräch führte Sebastian Preuss

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