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Mit deutscher Gründlichkeit - German thoroughness

1998
1970
1945
Kölner-Stadt Anzeiger 16 February 2015

Als sich der deutsche Staat und das Kunstmuseum Bern im letzten November über das Erbe von Cornelius Gurlitt einig wurden, schien die Wende in diesem traurigen und für die deutsche Kulturpolitik beschämenden Fall geschafft. Neben der weltweiten Presse spendeten auch der Jüdische Weltkongress und Vertreter jüdischer Sammler vorsichtig Beifall für die Einigung: Der unbedenkliche Teil der Gurlitt’schen Kunstsammlung sollte in Bern eine neue Heimat finden, während die rund 500 Werke, bei denen weiterhin der Verdacht besteht, dass sie ihren rechtmäßigen Besitzern im NS-Staat abgepresst wurden, zur weiteren Erforschung bei der deutschen Taskforce bleiben. Bei drei Werken schienen die Besitzverhältnisse so weit geklärt, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters ankündigte, sie bald an die Erben ihrer jüdischen Vorbesitzer zurückgeben zu wollen.

Seitdem herrscht trügerische Ruhe, denn selbstredend ist jeder Tag, der in dieser Sache ungenutzt verstreicht, ein verlorener. Und auch die Geduld der Erben scheint nach drei Monaten zu enden: David Toren, der wohl zu Recht ein Max-Liebermann-Gemälde für sich reklamiert, fühlt sich von den deutschen Behörden schikaniert, weil diese immer neue Bescheinigungen von ihm fordern. So verständlich die Verärgerung des bald 90-Jährigen ist, so verständlich ist auch die Entgegnung aus Grütters’ Ministerium: Es müsse ausgeschlossen werden, dass es weitere berechtigte Ansprüche auf das Gemälde gibt, und das koste leider Zeit. Die Crux daran: Mit Hinweisen auf die deutsche Gründlichkeit ist gerade in diesem Fall niemand zu besänftigen.

http://www.ksta.de/debatte/mit-deutscher-gruendlichkeit,15188012,29877062.html
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