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Kunsthalle Bremen hat die eigene Sammlung untersucht - The Kunsthalle Bremen researches its collection

1998
1970
1945
Neue Osnabrücker Zeitung 21 October 2014
 

Bremen. Seit dem Film „Monuments Men“ ist sie ein populäres Thema – die Suche nach der Raubkunst der Nazis. Jetzt zeigt die Kunsthalle Bremen die Ausstellung zum Thema. Basis ist eine Recherche in den eigenen Beständen.


Fritz von Uhdes „Zwei Mädchen“. Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Für ganze 149 Reichsmark und 50 Pfennige war sie 1941 zu haben – die „Rückenfigur einer Frau im faltigen Gewand“ von Giacomo Cavedone (1577–1660). Der Kaufmann, Kunsthändler und Künstler Arnold Blome hatte die barocke Zeichnung mit Weißhöhung 1939 bei einer Versteigerung des Auktionshauses Weinmüller in München erworben.

Das Problem: Das Auktionshaus versteigerte in jener Zeit, was die Nazis jüdischen Sammlern abgepresst hatten. 1937 nahmen sie die Frauenfiguren dem Sammlerehepaar Berolzheimer weg – ein bekannter Fall der Enteignung jüdischer Kunstbesitzer.

Die Kunsthalle Bremen, die das Blatt 1941 erwarb, gab es 2013 den Nachfahren der Vorbesitzer zurück. 2014 einigten sich die Museumsleute mit den Erben auf den Wiedererwerb für die Kunsthalle.


Giacomo Cavedones „Rückenfigur einer Frau in faltigem Gewand“, Kunsthalle Bremen.

Ende gut, alles gut? Für die Zeichnung von Cavedone mag das gelten, für den Umgang vieler Museen mit Raubkunst hingegen nicht. Viel zu schleppend würden die Bilderbestände auf mögliche jüdische Vorbesitzer untersucht, fällige Rückgaben mit fadenscheinigen Argumenten verzögert, monieren Kritiker. Gerade der Bilderfund in der Münchener Wohnung von Cornelius Gurlitt mit Hunderten Kunstwerken, deren Herkunft bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, hat dem Thema frische Brisanz verliehen. Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand war als Kunsthändler den Nazis zu Diensten. Unter anderem durch seine Hände ging, was NS-Helfer aus Privatsammlungen, aber auch aus Museen raubten.

„Wir wollten nicht nur reagieren, sondern die Frage der Provenienzforschung offensiv angehen“, erläutert Brigitte Reuter von der Kunsthalle Bremen. In den vergangenen drei Jahren hat das Museum in einem vom Bund geförderten Projekt 120 eigene Gemälde und Zeichnungen auf ihre Herkunft hin untersucht.


Max Liebermanns „Papageienallee“. Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen.

Dabei konzentrierten sich Reuter, die stellvertretende Museumsleiterin Dorothee Hansen und ihr Team vor allem auf jene Werke, die über Arnold Blome, Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze zwischen den Dreißiger- und den Sechzigerjahren in den Bestand der Kunsthalle kamen. Alle drei waren als Sammler und Händler aktiv, Glosemeyer und Oelze unterhielten gar intensive Geschäftsbeziehungen zum NS-Kunsthandel.

Dabei ergaben sich Transaktionen mit jenen Aufkäufern, die geraubte Kunstwerke für das in Linz geplante „Führermuseum“ Adolf Hitlers zusammenrafften.

Die Bremer Kunsthalle präsentiert in der Ausstellung „Eine Frage der Herkunft“ nun nicht nur alle bei der Recherche untersuchten Bilder, sie legt auch deren Herkunftsgeschichte offen. Damit wird nicht allein das Ausstellungspublikum unterrichtet, sondern auch die nach Raubkunst suchende Fachöffentlichkeit.


Erich Heckels „Haus in Dangast“.

Reuter und Hansen setzen darauf, mit ihrer Präsentation die Suche nach Raubkunst insgesamt voranzubringen.

Den Angaben zufolge ergab sich nur im Fall der italienischen Barockzeichnung die Notwendigkeit einer Rückgabe. Allerdings sind nach Darstellung Brigitte Reuters nur rund ein Drittel der untersuchten Bilder über jeden Zweifel erhaben. Bei vielen Kunstwerken konnten die Forscherinnen nicht die gesamte Provenienzkette, so der Fachbegriff für die Herkunftsgeschichte eines Kunstwerkes, aufklären.

Wie empfindlich groß die Lücke sein kann, zeigt der Fall des Gemäldes „Zwei Mädchen“ von Fritz von Uhde. Für den Zeitraum von 1911 bis 1940 konnte der Weg, den das Gemälde genommen hat, nicht eruiert werden. Damit sind womöglich für dieses Bild entscheidende Jahre offen.


Karl Peter Burnitz, „Teich mit schilfbestandenem Ufer“, Rückseite mit Etiketten und Sammlerstempeln.

„Die untersuchten Kunstwerke sind einstweilen ausrecherchiert“, beschreibt Reuter den Arbeitsstand in der Kunsthalle. Die Suche soll indessen weitergehen. Für die Untersuchung jener 600 Gemälde, die seit 1933 in den Bestand der Kunsthalle gelangten, ist ein Nachfolgeprojekt beantragt.

Mit der Ausstellung zum Thema Raubkunst befindet sich das Haus gemeinsam mit dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nach eigenen Angaben in Sachen Raubkunst an der Spitze der Aufarbeitung. Zumindest eines ist den Bremern nicht vorzuwerfen: Untätigkeit bei einem höchst sensiblen Thema.

Bremen, Kunsthalle: Eine Frage der Herkunft. Drei Bremer Sammler und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus. 22. Oktober bis 4. Januar 2015. Di., 10–21 Uhr, Mi.–So., 10–17 Uhr. www.kunsthalle-bremen.de

 

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