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Raubkunstverdacht vom Tisch - Suspicion of looted art has been cleared

1998
1970
1945
Main Post 22 June 2014
By Katharina Winterhalter

Museum Georg Schäfer Bei einem Gemälde von Spitzweg scheint die Herkunft unbedenklich, bei einem zweiten müssen die Provenienzforscher noch viele Fragen klären.


Herkunft weitgehend geklärt: Beim Spitzweg-Bild „Reisende Komödianten“, derzeit zu sehen in der großen Sonderausstellung im Museum Georg Schäfer in Schweinfurt, scheint der Raubkunst-Verdacht vom Tisch zu sein.

Zwei gute Nachrichten gibt es aus dem Museum Georg Schäfer (MGS) in Schweinfurt, das zuletzt wegen der Kündigung der Leiterin Sigrid Bertuleit eher negative Schlagzeilen hatte. Die eine: Eine Arbeitsgruppe nimmt die Provenienzforschung im Haus in Angriff. Die zweite: Das Bild „Reisende Komödianten“, das derzeit in der großen Ausstellung „Carl Spitzweg. Die weltweit größte Sammlung“ hängt, steht nicht mehr unter Raubkunstverdacht. Das teilte Grafikkuratorin Karin Rhein auf Anfrage mit.

Von diesem Gemälde existieren vermutlich drei Fassungen mit ähnlichem Motiv, aber unterschiedlichen Titeln, was vielleicht erklärt, warum der Verdacht nicht schon früher ausgeräumt wurde. Die Schweinfurter Version wurde laut Spitzweg-Katalog von Jens Christian Jensen im März 1968 auf einer Auktion im Münchner Auktionshaus Weinmüller (heute Neumeister) erworben. Eine zweite, sehr ähnliche Fassung, die den Titel „Fahrende Komödianten“ trägt, tauchte 2011 zuletzt auf dem Kunstmarkt auf und befindet sich in Privatbesitz. Die dritte, wesentlich skizzenhaftere Version mit dem Titel „Reisewagen im Gebirge“ hängt heute im Israel-Museum in Jerusalem. Es scheint jetzt klar, dass es sich bei dieser Fassung um das von den Erben des einstigen Besitzers Gustav Kirstein gesuchte Bild handelt. Kirstein war ein jüdischer Kunstverleger und Sammler aus Leipzig.

Anfrage der Erben von 2002

Die Erben hatten ursprünglich vermutet, dass das Schweinfurter Bild ihrem Vorfahren gehörte und stellten 2002 eine Anfrage an das Museum Georg Schäfer. Nun teilten die Anwälte der Erben mit, dass die Angelegenheit geklärt sei. Den Beweis liefert – das haben Recherchen dieser Zeitung ergeben – die sogenannte Linzer Sammlung, die das Deutsche Historische Museum Berlin 2008 ins Internet stellte. In dieser Datenbank sind mehr als 4700 Kunstwerke aufgeführt, die das Nazi-Regime in Adolf Hitlers „Sonderauftrag Linz“ zwischen 1939 und 1945 für das geplante Kunstmuseum in Linz zusammengetragen hatte.

Unter der Nummer 2764 ist das Gemälde „Reisewagen im Gebirge“, um 1833, aufgeführt, samt Abbildung, Maßen und Informationen zur Herkunft. Als Vorbesitzer ist die Sammlung Kirstein angegeben. Unter dem Stichwort Einlieferung steht: Kunstantiquariat C.G. Boerner Leipzig, 1943. Die Abbildung zeigt, dass es sich nicht um das Schweinfurter Gemälde „Reisende Komödianten“ handelt. Dass das Bild im MGS außerdem größer ist und keine Linz-Inventarnummer trägt, kann als zusätzlicher Beweis gelten. Bleibt die Frage, warum die Angelegenheit erst jetzt geklärt wurde. Ein Blick in die seit 2008 bestehende Online-Datenbank hätte genügt.

Trotzdem bleiben die Hinweise in der Schweinfurter Ausstellung, dass eine Provenienzforschung in Planung sei. Karin Rhein sagt, es gebe für dieses Gemälde noch Lücken in der Zeit vor dem Ankauf 1968, die man versuchen sollte zu schließen. Auch über das zweite fragliche Gemälde in der Ausstellung, „Fränkische Landschaft“, werde weitergeforscht, sagt die Kuratorin, die nach der Kündigung von Sigrid Bertuleit derzeit Ansprechpartnerin im Haus ist. Laut einem Bericht des Magazins „Focus“ vom 19. April 2014 befinden sich aber heute mindestens zwei Bilder im Museum Georg Schäfer, die einst Gustav Kirstein gehörten: Max Liebermanns „Studie zu den Netzflickerinnen“ und Adolph Menzels „Das Bildnis des Dichters Paul Heyse“.

Geklärt ist auch die Herkunft anderer Menzel-Werke in Schweinfurt, zum Beispiel des Bildes „Beati possidentes“ (Die glücklichen Besitzer). Das Bild tauchte erstmals bei dem Kunsthändler Hermann Pächter in Berlin auf, ein Zeitgenosse Menzels. Nach Angaben der Internet-Datenbank „Lost Art“, eine Einrichtung des Bundes und der Länder für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste in Magdeburg, kam das Bild in die Sammlung des Bankiers Eduard Ludwig Behrens in Hamburg. 1938 wurde es von seinem Enkel George Eduard Behrens an die Kunsthandlung Paffrath in Düsseldorf verkauft. Von dort gelangte es in die Kunsthandlung Franz Resch in Gauting. 1955 erwarb es Georg Schäfer.

George Eduard Behrens hat seine Familienerbstücke und damit die Menzel-Bilder (er besaß etwa sechs Stück) nicht ganz freiwillig verkauft. 1853 war sein jüdischer Großvater zum evangelischen Glauben übergetreten. Für die Nationalsozialisten war sein Enkel somit nicht „rein arisch“. Ab 1935 verbot das NS-Regime, „national wertvollen“ Kunstbesitz auszuführen. Dazu zählten auch Kunstwerke aus der Behrens-Sammlung. 2006 nahm die „Erbengemeinschaft nach George Eduard Behrens“ über ihren Anwalt Alessandro Honert (Bologna) Kontakt zur Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung auf und machte Ansprüche geltend – bisher ohne ein für sie befriedigendes Ergebnis.

Der Industrielle Georg Schäfer (1896–1975) kaufte ab Mitte der 1950er Jahre deutsche Malerei und Grafik vor allem des 19. Jahrhunderts, oft in großen Chargen. 1998 haben seine Erben etwa 1000 Gemälde und 4000 Zeichnungen, Aquarelle und Gouachen in die Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung eingebracht, heute Bestand des im Jahr 2000 eröffneten Museums Georg Schäfer. Eigentümer des Hauses ist der Freistaat, Betreiber die Stadt. Alleinige Verfügungsgewalt über die Bilder hat die Stiftung, die bislang keinerlei Ansprüche auf Herausgabe von Bildern mit mutmaßlicher Raubkunst-Herkunft akzeptiert hat. Die Provenienzforscherin Monika Tatzkow hatte über 20 Arbeiten in der Sammlung dieser Kategorie zugeordnet.

„Das wird nach und nach aufgearbeitet“, sagt Karin Rhein auf Anfrage. Die Arbeitsgruppe Provenienzforschung hat kürzlich zum ersten Mal getagt. „Aber wir brauchen einen richtigen Provenienzforscher und genügend finanzielle Mittel.“

 

http://www.mainpost.de/regional/franken/Raubkunstverdacht-vom-Tisch;art1727,8194023
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