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Land gibt Raubkunst an Griechenland zurück - Federal state gives looted art back to Greece

1998
1970
1945
Zollnern-Alb-Kurier 7 June 2014
Von Roland Muschel


Typisch kykladisch ist dieses etwa 4500 Jahre Idol, das jetzt zurückgegeben wurde.

Kunst-Staatssekretär Walter: Baden-Württemberg wird seiner moralischen Verantwortung gerecht

Lange Jahre hat das Land den umstrittenen Besitz von zwei Objekten der Kykladenkultur verteidigt. Nun hat es sie an Griechenland zurückgegeben.

Als die griechische Generaldirektion für Antiken und Kulturerbe 2011 dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe (BLM) einmal mehr den Besitz von Raubkunst vorwarf, folgte die eingeübte Reaktion. Die beiden strittigen Objekte, ließ sich Museumschef Harald Siebenmorgen zitieren, seien 1975 rechtlich "einwandfrei" erworben worden und Rückforderungen ohnehin verjährt. Ähnlich äußerte sich zu dem Zeitpunkt auch das baden-württembergische Wissenschaftsministerium.

Knapp drei Jahre und einen Regierungswechsel später soll das lange gepflegte Motto, wonach statthaft ist, was nicht gegen das Recht verstößt, Geschichte sein. Als "Zeichen der Wiedergutmachung" hat Baden-Württembergs Kunst-Staatssekretär Jürgen Walter (Grüne) gestern im Beisein Siebenmorgens die beiden Kunstwerke in Athen an das griechische Nationalmuseum übergeben. "Wir wollen Kunstwerke, von denen wir wissen, dass sie auf dubiosen Wegen zu uns gekommen sind, zurückgeben - auch wenn es dazu keine rechtliche Zwänge gibt", sagte Walter. Damit werde das Land seiner "moralischen Verantwortung vor der Geschichte gerecht".

Bei den auf 2700 bis 2300 vor Christus datierten Objekten handelt es sich um eine 89 Zentimeter große antike Marmorskulptur und um eine Griffschale aus Chloritschiefer. Der materielle Gesamtwert wird auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. Der ideelle Wert für Griechenland, das sich in der Finanzkrise von Deutschland bevormundet fühlt, gilt dagegen als nicht bezifferbar. Dazu passt, dass die Werke laut Walter die "Geburtsstunde" Europas symbolisieren.

Die Idole aus der Kykladenkultur stammen mutmaßlich aus Raubgrabungen. Sie waren in den 1970er Jahren auf dubiosen Wegen nach Deutschland gelangt. Der damalige Kurator des BLM, ein Archäologe, hatte sie 1975 für eine 1976 erfolgte Ausstellung über die "Kunst der Kykladen" erworben. Die griechischen Behörden, die da bereits intensiv gegen die Ausplünderung ihres kulturellen Erbes kämpften, empfanden das als Provokation.

Im Juni hat die Bundesregierung auf Drängen des Landes bereits das von den Nazis in Warschau geraubte und zuletzt in der Staatsgalerie Stuttgart gelagerte Gemälde "Die Palasttreppe" von Francesco Guardi an Polen zurückgegeben. Das war zuvor an der Suche nach einer bilaterale Gesamtlösung zur NS-Raubkunst gescheitert. Deutschland hat sich 1998 in der Washingtoner Erklärung zur Restitution von NS-Raubkunst verpflichtet.

Die Rückgabe der Kykladen-Idole geht darüber hinaus. Sie eröffnet nun auch dem BLM neue Möglichkeiten. Aufgrund des schwelenden Streits hatte Griechenland den Karlsruhern bislang Leihgaben für Ausstellungen verweigert. Künftig wollen beiden Seiten kooperieren, das haben sie gestern in Athen vereinbart. Die Kooperation, so Siebemorgen, sei "viel wichtiger, als ein doch sehr zweifelhafter Objektfetisch im Museumsdepot".


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