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Auch Bund will Kosten für Gurlitt-Erbe nicht übernehmen - No federal funding for taking on Gurlitt inheritance

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Der Bund 15 May 2014
Von Basil Weingartner

Die Gurlitt-Erbschaft des Kunstmuseums dürfte Kosten verursachen. Stadtpräsident Alexander Tschäppät hofft auf den Bund. Doch auch dieser will nicht zahlen.


Das Kunstmuseum Bern selbst verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um allfällige Kosten des Gurlitt-Erbes selber tragen zu können.

«Eine Riesenchance», «ich freue mich», «toll»: Wenn Berner Politiker über die neuste Erbschaft des Berner Kunstmuseums sprechen, tun sie dies oft in euphorischem Tonfall. Doch die Hinterlassenschaft des deutschen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt ist nicht nur «toll»: Unter den rund 1600 Werken wird Nazi-Raubkunst vermutet. Deshalb wird die Herkunft jedes einzelnen Werks geklärt werden müssen. Dies dürfte beträchtliche Kosten verursachen, ebenso die Restaurierung der Bilder. Bei solchen finanziellen Aussichten werden auch die euphorischsten Politiker sparsam – beinahe ausnahmslos. Ähnlich geht es auch Beamten, die sich zuvor der «moralischen Aufgabe» verpflichtet fühlten, das Erbe aufzuarbeiten.

«Sehr, sehr viel Geld»

Wie hoch die durch das Erbe entstehenden Kosten letztlich sein werden, weiss im Moment noch niemand. Grossrat Samuel Leuenberger befürchtet «enorme Kosten». Diese Vorahnung trübt die Freude des Trubschacher BDP-Politikers über die «geniale Chance», die sich dem Berner Kunstmuseum durch die Erbschaft biete. «Es geht um sehr, sehr viel Geld», sagt Leuenberger nachdenklich. Deshalb hat er bereits jetzt eine Motion eingereicht: Diese verlangt, dass sich der Kanton Bern nicht an allfälligen Kosten des Erbes beteiligt. Ebenso wenig sollen aus dem Lotteriefonds Gelder fliessen dürfen.

Auch Leuenbergers Grossratskollege Michael Aebersold, Präsident der SP-Fraktion, sieht im Gurlitt-Erbe ein potenzielles «Fass ohne Boden». Er erinnert, wie zuvor auch Leuenberger, an das Zentrum Paul Klee. Dort sind dem Kanton durch eine Schenkung hohe Folgekosten entstanden. Aebersold sieht im Erbe eine «grosse Chance» für den Kunstplatz Bern. Gleichwohl solle man dieses nicht «um jeden Preis» annehmen. «Die Motion Leuenberger kommt aber viel zu früh», so Aebersold. Von einer «Chance» für das Kunstmuseum spricht auch Peter Brand, Präsident der SVP-Grossratsfraktion: «Diese darf aber nicht zulasten der Steuerzahler gehen.»

Das Kunstmuseum Bern selbst verfügt nicht über die finanziellen Mittel, um allfällige Kosten des Erbes selber tragen zu können. Falls die Erbschaft nicht ausgeschlagen wird, müssen für die historische Aufarbeitung der Sammlung deshalb andere Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden. Dies dürfte aber nicht ganz einfach werden. «Es ist nicht die Sache der Stadt Bern, bei der Finanzierung vorauszumarschieren», sagt Alexander Tschäppät auf Anfrage. Dem Stadtpräsidenten schwebt die Aufarbeitung des «historischen Erbes» durch ein Konglomerat vor. Dieses sollte nach der Vorstellung Tschäppäts aus den beteiligten Ländern (Schweiz, Deutschland und Österreich), dem Kanton und der Stadt Bern, dem Museum sowie aus Gönnern bestehen. «Wenn sich alle finanziell beteiligen, ist für mich denkbar, dass auch die Stadt einen Beitrag leisten wird», so Tschäppät.

Bund kann nicht bezahlen

Dieses Konglomerat soll nach dem Willen des SP-Politikers durch die Anlaufstelle Raubkunst des Bundesamtes für Kultur koordiniert werden. Dort fühlt man sich dafür aber nicht zuständig, wie Marco Eichenberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter, auf Anfrage mitteilt. Durch den gesetzlichen Rahmen sei die Übernahme einer solchen Aufgabe gar nicht möglich. Man habe zudem auch keine dahingehende Anfrage erhalten, sagt Eichenberger.

Auch finanziell dürften Tschäppät und das Kunstmuseum vom Bund keine Unterstützung erwarten: «Eine Übernahme der Aufgaben von Museen und Sammlungen Dritter ist gesetzlich nicht vorgesehen», schreibt das Amt für Kultur dazu. Und so ist weiterhin unklar, mit wessen Geld das Erbe Cornelius Gurlitts, dass alle als Chance betrachten, aber niemand finanziern will, bezahlt werden soll. Sollte die Sammlung irgendwann doch in Bern zu sehen sein, will sich diese auch BDP-Grossrat Leuenberger anschauen – auch wenn sich der Kanton dann doch an den Kosten beteiligt haben sollte.

 

http://www.derbund.ch/bern/nachrichten/Auch-Bund-will-Kosten-fuer-GurlittErbe-nicht-uebernehmen/story/26985532
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