(English summary below)
Juristen-Streit in Augsburg: Das Verwaltungsgericht will die Staatsanwaltschaft zwingen, eine Liste der Kunstwerke an die Presse herauszugeben. Doch die Ankläger wehren sich.
Zwei Juristen, drei Meinungen. Dieser Spruch, der auch unter Juristen selbst weit verbreitet ist, spielt darauf an, dass Gesetze unterschiedlich ausgelegt werden können. Dass ein Staatsanwalt und ein Verteidiger unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten, kommt häufig vor.
Seltener geschieht es, dass zwei Justizbehörden, gespickt mit Top-Juristen, komplett uneins sind. In diesem Fall geraten das Verwaltungsgericht und die Staatsanwaltschaft in Augsburg aneinander. Und es geht um einen spektakulären Fall.
Das Verwaltungsgericht hat mit einer einstweiligen Anordnung die Augsburger Staatsanwaltschaft dazu verpflichtet, eine Aufstellung der Werke des Schwabinger Kunstfundes herauszugeben. Ein Reporter der Bild-Zeitung hatte darauf geklagt, dass er von den Ermittlern eine Aufstellung der Werke des Münchner Kunstsammlers Cornelius Gurlitt, 81, mit genauer Bezeichnung und Angabe der Abmessungen erhält. Die Staatsanwaltschaft hatte das mit dem Hinweis auf das Steuergeheimnis abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht sieht es anders: Der Reporter habe einen Anspruch auf die Auskunft. Das ergebe sich aus dem Bayerischen Pressegesetz. Das Steuergeheimnis stehe dem Antrag nicht entgegen, da es abzuwägen sei gegen die Pressefreiheit. Am Fall Gurlitt bestehe ein „erhebliches und zwingendes Interesse an Publizität“, heißt es in dem Beschluss. Dem Journalisten müsse auch mitgeteilt werden, zu welchen Werken potenzielle Eigentümer ermittelt und kontaktiert wurden. Die Forderung, auch die Namen der möglichen Eigentümer bekannt zu geben, lehnte das Verwaltungsgericht ab.
Ein Satz dürfte die Staatsanwälte besonders ärgern: Es sei nicht zu erkennen, inwieweit die Veröffentlichung des Bilderbestandes ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren beeinträchtigen könne. Genau dies hatte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz in der großen Pressekonferenz zum Fall Gurlitt behauptet.
Die Anklagebehörde hat umgehend Beschwerde eingelegt. „Wir halten den Beschluss nicht für richtig“, sagt Nemetz gegenüber unserer Zeitung. Nun muss der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entscheiden. Für die Staatsanwaltschaft dürfte es eine Grundsatzfrage sein. Schließlich wird das Steuergeheimnis sehr ernst genommen. Verstöße dagegen werden hart bestraft.
Zudem ist es mit der Veröffentlichung der ganzen Kunst-Liste so eine Sache. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass zumindest rund 300 Werke rechtmäßig im Besitz von Cornelius Gurlitt sind. Mit welcher Begründung sollte eine Liste über den Privatbesitz eines 81-jährigen Mannes veröffentlicht werden.
Offenbar bezweifeln die Ankläger sogar, dass der Fall überhaupt Sache des Verwaltungsgerichts ist. Nach Informationen unserer Zeitung hat das Amtsgericht Augsburg bereits einen entsprechenden Antrag des Reporters abgelehnt. Können zwei Gerichte für dieselbe Angelegenheit zuständig sein? Gerichtspräsident Ivo Moll sagt: „Die Kammer hat die Frage der Zuständigkeit sehr umfangreich geprüft.“ Zwei Juristen, drei Meinungen eben.