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Der Fall Gurlitt in Bayerns Landtag - Bavarian Parliament discusses Gurlitt case

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Schwäbische Zeitung 27 November 2013
 

Schwabinger Kunstfund
Schwabinger Kunstfund (Foto: dpa)

München / dpa Der spektakuläre Kunstfund von München hat längst politische Bedeutung - weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Am Mittwoch wurde er erstmals auch auf politischem Parkett behandelt.

Bayerns Justizminister Winfried Bausback und Kunstminister Ludwig Spaenle (beide CSU) standen im Kunstausschuss des bayerischen Landtages Rede und Antwort - und noch einmal zeigte sich, wie eklatant die Dimension des Falles monatelang unterschätzt wurde.

Ganze fünf Berichte über die Beschlagnahmung der - je nach Zählweise - 1280 oder 1406 Kunstwerke aus der Wohnung von Cornelius Gurlitt erreichten das bayerische Justizministerium, das damals noch unter der Leitung von Beate Merk (CSU) stand. Bis in die Hand der Ministerin aber schaffte es keiner.

Zwei wurden von Merks persönlichem Referenten gegengezeichnet, ohne dass er seine Chefin informierte; die übrigen drei, die in regelmäßigen Abständen über den Stand der Ermittlungen und auch die Ergebnisse von Expertenuntersuchungen berichteten, kamen im Münchner Justizpalast gar nicht erst so weit.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die in einem Amtshilfeverfahren früh eine Expertin an den Ort des Geschehens schickten, informierten das für sie zuständige Kunstministerium nicht. Schließlich habe es eine Schweigepflicht gegeben. Die Informationswege müssten verbessert werden, heißt es nun aus dem Spaenle-Haus.

Ganz neu ist das nicht, was Bausback erzählte, in dieser geballten Form aber war sein sachlicher Bericht beeindruckend. Bausback, der - anders als Spaenle - zur fraglichen Zeit noch nicht Mitglied der Staatsregierung war, schien die Karten auf den Tisch legen zu wollen und kündigte an, in seinem Haus aufräumen zu wollen.

So etwas solle nicht wieder vorkommen, sagte er. Künftig gebe es bei ihm einen "Jour fixe". Regelmäßig will Bausback, der auch einen neuen Gesetzentwurf zu den Verjährungsfristen bei der Rückgabe von NS-Raubkunst auf den Weg bringen will, über wichtige laufende Verfahren auch auf dem Laufenden gehalten werden.

Eine "Blamage für Bayern" sei das, was da im Fall Gurlitt passiert ist, sagte die SPD-Kulturpolitikerin Isabell Zacharias, "eine Blamage für Deutschland", und der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr stieß ins gleiche Horn. Denn es sind nicht nur die Bayern, die sich die Frage gefallen lassen müssen, warum man so lange nicht verstand, welche Bedeutung Gurlitts Schatz hat - juristisch und historisch, politisch und wissenschaftlich und vor allem moralisch.

Auch die Bundesregierung war früh informiert und doch wurde nur eine einzige Kunsthistorikerin auf das angesetzt, was heute eine ganze Taskforce erledigen muss, die aus acht bis zehn Experten bestehen und zusätzlich einen "breiten Unterbau" haben soll, wie die Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel betonte. Voraussichtlich soll auch eine US-amerikanische Expertin Teil der Gruppe werden.

Nicht nur für Minister Bausback ist das Vorgehen von damals heute schwer nachzuvollziehen. "Bund und Länder hätten hier früher mehr Experten an die Provenienzrecherche setzen müssen, um in kurzer Zeit zu validen Ergebnissen zu kommen", sagte er am Mittwoch. "An diesem Verlauf ist aus heutiger Sicht zu kritisieren, dass die Provenienzrecherche lange - zu lange - gedauert hat."

Und auch jetzt scheint der Fall wieder ins Stocken geraten zu sein. Die Behörden kündigen zwar seit Wochen an, auf Cornelius Gurlitt zugehen zu wollen, das scheint aber gar nicht so leicht zu sein. Der Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, der zunächst 300 Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsohne gehören, ist für die Behörden bislang einfach nicht zu erreichen. "Für ein Gespräch braucht man einen Gesprächspartner", sagte Berggreen-Merkel. "Ich habe versucht, ihn zu erreichen, es ist mir aber bislang nicht gelungen."

In seiner bislang einzigen umfangreichen öffentlichen Auskunft im Magazin "Der Spiegel" hatte der 80-Jährige einen Einblick gegeben in das, was es für ihn bedeutete, als die Staatsanwaltschaft Augsburg seine Bilder im Frühjahr 2012 wegen eines, wie es heute von Bausback heißt, "leichten" Anfangsverdachts der Unterschlagung und Steuerhinterziehung aus seiner Schwabinger Wohnung mitnahm.

Staatsanwalt Reinhard Nemetz sagte dazu am Mittwoch: "Hätten wir nichts getan, säßen wir alle nicht hier und der Beschuldigte nach wie vor auf seinem Kunstschatz."



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