Ein Zusammenhang mit dem Münchner Kunstfund besteht allerdings nur indirekt. Wiesbadens Museumsdirektor der Jahre 1933 bis 1945, Hermann Voss, war von 1943 an auch Leiter der Gemäldegalerie in Dresden und gleichzeitig Sonderbeauftragter für das „Führermuseum“ in Linz. In dieser Funktion muss er Kontakt mit Hildebrand Gurlitt, dem Vater von Cornelius Gurlitt gehabt haben.
Dass Hildebrand Gurlitt dem Wiesbadener Museum „Schenkungen“, wie von einigen Medien behauptet wird, gemacht haben soll, weist Peter Forster, der Abteilungsleiter für die Wiesbadener Provenienzforschung, vehement zurück:„Dafür gibt es keine Beweise.“ Um das festzustellen, müsse man die gesamte Aktenlage abklären.
Es gibt allerdings ein Gemälde von Eugène Verboeckhoven, das die Wiesbadener Gemäldegalerie 1943 als Geschenk von Hildebrand Gurlitt bekommen hat. Das Gemälde war im Krieg nach Dresden ausgelagert worden. Wo es sich befindet, weiß keiner.
Rund 200 Kunstwerke zwischen 1933 und 1945 erworben
Sowohl Peter Forster als auch seine Mitarbeiterin Miriam Olivia Merz raten zur Vorsicht und warnen vor voreiligen Schlüssen, die in der allgemeinen Aufregung nach dem Münchner Kunstfund gemacht würden.
Rund 200 Kunstwerke hat das Wiesbadener Museum zwischen 1933 und 1945 erworben. Etwa die Hälfte ist gesichtet. Unter ihnen hat man vier Gemälde entdeckt, die „hundertprozentig“ von Juden geraubte Objekte sind. Eines wurde zurückgegeben, eines zurückgegeben und wiedergekauft, zwei Werke sind noch im „offenen Verfahren“, das über das Wissenschaftsministerium abgewickelt wird. Eines der Werke hat ein Anwalt über das Lostart-Register in Magdeburg aufgespürt.
Hermann Voss (1884-1969), sagt Peter Forster, war zwar kein NSDAP-Mitglied, habe sich aber hundertprozentig mit der NS-Kunstauffassung identifiziert. Seit Jahren fahndet Forster nach einem Foto von Voss aus seiner Wiesbadener Zeit, bislang vergeblich. Er hat die Wiesbadener Archive durchstöbert, nichts gefunden. Voss‘ Akten sind verschwunden, oder er hat sie verschwinden lassen.
Detektivarbeit soll transparent seibleiben
„Provenienzforschung ist Detektivarbeit“, sagt Peter Forster. Zwei Wege sind grundsätzlich möglich: Archivstudien oder eine kunsthistorische Herangehensweise. Im Museum will man die Provenienzforschung nach außen transparent machen. Denn, so Forster: „Wir befinden uns in einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.“ Das den Juden und anderen zugefügte Leid könne man damit nicht wiedergutmachen.Aber es müsse auch klar sein, dass es sich nicht um Kavaliersdelikte handelt. Oft, sagt Peter Forster, drangen die NS-Kunstverständigen im Gefolge der Geheimen Staatspolizei in die Wohnungen der Verfolgten ein.
In der Sammlung von Cornelius Gurlitt könnten sich theoretisch tatsächlich frühere Kunstwerke aus dem Wiesbadener Museum befinden, expressionistische. Ein Hodler, Macke oder Nolde zum Beispiel. Diese für die Nationalsozialisten „entarteten“ Werke hat man bis 1937 auf den damals „wilden“ Markt gebracht, um an Geld für den Ankauf von Kunstwerken für das „Führermuseum“ in Linz zu kommen, Kunstwerke aus Renaissance, Barock und dem 19. Jahrhundert.