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Die Angewandte möchte ein Gemälde von Jehudo Epstein restituieren - und sucht nach Verwandten des Malers

1998
1970
1945
Der Standard 27 December 2011
By Thomas Trenkler

Wien - Die Wahrscheinlichkeit, in der Angewandten auf NS-Raubkunst zu stoßen, ist relativ gering. Denn die Kunstsammlung wurde erst 1979 vom damaligen Rektor Oswald Oberhuber gegründet. Im Gegensatz zu vielen anderen Institutionen beließ man es aber nicht mit der Feststellung, dass die Sammlung sauber sei: Zwei Jahre lang prüfte der Jurist und Kunsthistoriker René Schober die Bestände. Unter den 218 Möbelstücken und etwa 3000 Grafiken konnte er keine verdächtigen Werke finden. Aber zumindest eines der 507 Gemälde scheint geraubtes Gut zu sein. Es trägt den Titel Mädchen mit blonden Zöpfen in historischem Kostüm und wurde 1921 von Jehudo Epstein gemalt.

 


"Mädchen mit blonden Zöpfen" von Jehudo Epstein

Jehudo Epstein ist heute völlig in Vergessenheit geraten. Es gibt zumindest einen Wikipedia-Eintrag. Laut diesem hatte Epstein "in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mit seinen realistischen Bildern aus dem jüdischen Alltag und Volksleben, das er idealisierend darstellte, großen Erfolg". Und: "Er wurde zu seinen Lebzeiten als einer der bedeutendsten jüdischen Maler angesehen."

Epstein wurde laut eigenen Angaben zwischen 1869 und 1871 als Sohn eines Rabbiners und einer Lehrerin in Sluzk (Weißrussland) geboren. Ab 1884 besuchte er die Wilnaer Zeichenschule. Da er als Jude nicht an der Akademie in St. Petersburg aufgenommen wurde, ging er 1888 ohne Empfehlungen und ohne Kenntnis der deutschen Sprache nach Wien. An der Akademie der bildenden Künste studierte er mehrere Jahre - unter anderem Historienmalerei bei August Eisenmenger. Ab 1901 war Epstein Mitglied des Künstlerhauses, wo er mehrfach ausstellte, 1923 wurde er zum Professor an der Akademie ernannt.


In Vergessenheit geraten: Jehudo Epstein.

1934 machte Epstein mit seiner Ehefrau Auguste eine Studienreise nach Südafrika. Ob der sehr guten Auftragslage dehnte sich der Aufenthalt länger als geplant aus. Der Wiener Strickwarenhersteller Bernhard Altmann, der in seiner Sammlung auch etliche Gemälde von Epstein hatte, riet dem Maler daher, das Atelier in Grinzing aufzulassen. Er bot ihm an, dass er seine Werke in einem Lagerraum der Fabrik unterstellen könne. So geschah es 1936 auch.

Bei der Einlagerung erstellte Karl Kramer, Hausverwalter vom Altmann, ein Inventar, in dem neben Möbel und anderen Einrichtungsgegenständen insgesamt 172 Gemälde verzeichnet sind. Auch das Mädchen mit blonden Zöpfen befand sich darunter.

Im März 1938, nach Hitlers Einmarsch, musste Altmann fliehen, die Fabrik wurde "arisiert". Und die Epsteins blieben in Südafrika.

Jehudo Epstein starb am 16. November 1945 in Johannesburg. Seine Frau bemühte sich 1947 erfolglos, Auskünfte über den Verbleib der bei Bernhard Altmann eingelagerten Güter zu erhalten. 1950/51 erhielt sie zumindest ein Werk ihres Mannes, Camposanto in Venedig, zurück. Es war in den Räumen des Landesarbeitsamtes Niederösterreich gefunden worden. Im Zuge des Rückstellungsverfahrens wurde auch der Hausverwalter Kramer befragt. Er gab an, dass man die Türe zum Magazin in seiner Abwesenheit aufgebrochen hätte, die meisten Bilder seien im Auftrag der "Ariseure" weggebracht worden. "Der Rest der Bilder wurde nach Übermalung des Namens Epstein im Speisesaal der Arbeiter aufgehängt."

Der Name Epstein wurde gelöscht, das Werk verschwand. Nach dem Krieg versteigerte das Dorotheum regelmäßig Gemälde von Jehudo Epstein. Eines, das Mädchen mit blonden Zöpfen, erwarb der Gastronom und Galerist Kurt Kalb. Er schenkte es 1987 der Angewandten.

Rektor Gerald Bast möchte das Werk nun aus moralischen Gründen restituieren - und daher mit Nachkommen der Epsteins in Verbindung treten. Für Hinweise wäre er dankbar.

http://derstandard.at/1324501369484/Der-Name-ausgeloescht-das-Werk-verschwunden
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