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Universität Wien unterzeichnet Vertrag mit dem Nationalfonds - Vienna University signs contract with National Fund

1998
1970
1945
Univeritaet Wien 24 April 2017

Tagung "'Treuhänderische' Übernahme und Verwahrung" vom 2. bis 4. Mai

In Weiterführung der 2004 gestarteten Arbeit zur NS-Provenienzforschung hat die Universität Wien als erste Universität Österreichs einen Vertrag mit dem Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus über sogenanntes "erbloses" Raubgut unterzeichnet. Damit übergibt die Universität Wien jene Bücher und Objekte, bei denen keine Rechtsnachfolger gefunden werden konnten, dem Nationalfonds, um diese in der Folge wieder anzukaufen. Der Erlös kommt in solchen Fällen NS-Opfern zugute. Zeitnah findet dazu an der Universität Wien vom 2. bis 4. Mai eine internationale und interdisziplinäre Tagung mit dem Titel "'Treuhänderische' Übernahme und Verwahrung" statt. Zur Eröffnung spricht James Bindenagel, früherer US-Botschafter für "Holocaust Issues".

Generalsekretärin Hannah Lessing, Markus Stumpf und Rektor Heinz W. Engl beim Studium einer Auswahl der Restitutionsobjekte

NS-Provenienzforschung hat die Identifizierung und Rückgabe von jenen Kulturgütern zum Ziel, die in den Jahren 1933 bis 1945 politisch und rassistisch verfolgten Personen und Institutionen geraubt wurden. Als erste österreichische Universitätsbibliothek begann die Universitätsbibliothek Wien (UB) 2004 mit der systematischen Suche und Restitution.

Für den Rektor der Universität Wien Heinz W. Engl stellt sich die Universität Wien damit ein weiteres Mal ihrer NS-Vergangenheit und leistet so "einen aktiven Beitrag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und zur Erforschung der NS-Zeit sowie des Umgangs damit in der Nachkriegszeit". Der Arbeitsbereich NS-Provenienzforschung der UB Wien ist ein Teil der vielfältigen Forschungs- und Gedenkprojekte an der Universität Wien. "Im Rahmen der NS-Provenienzforschung befasst sich die UB Wien wissenschaftlich mit ihren eigenen Beständen sowie der Erwerbungspolitik in der NS-Zeit und stellt sich damit der Frage des adäquaten Umgangs mit Raubgut. Jedes geraubte Buch, jedes geraubte Objekt, das sich in unseren Beständen befindet, wird restituiert", sagt Maria Seissl, die Leiterin der Universitätsbibliothek.

Für den Leiter des Arbeitsbereiches NS-Provenienzforschung Markus Stumpf reichen nicht in allen Rückgabefällen die Daten aus, um ErbInnen zu finden oder RechtsnachfolgerInnen zu identifizieren. Auch sei immer wieder klar geworden, dass bestimmte Bücher und Objekte in der NS-Zeit geraubt wurden, ohne dass das eigentliche Opfer der Enteignung bekannt wäre. "Daher wurde in Kooperation mit dem Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus seitens der UB Wien eine strukturierte Vorgehensweise für dieses so genannte 'erblose Gut' ausgearbeitet.", erklärt Stumpf.

Universität Wien kauft an den Nationalfonds rückerstattete Werke wieder an

In Erfüllung des Vertrags mit dem Nationalfonds übergibt die Universität Wien nun in zwei Fällen, in denen keine Erben bzw. Rechtsnachfolger ausfindig gemacht werden konnten, die Bücher und Objekte in Anlehnung an das Kunstrückgabegesetz an den Nationalfonds zur Verwertung und kauft diese – auf Basis eines unabhängigen Schätzgutachtens bzw. des aktuellen Listenpreises – vom Nationalfonds an. "Der Nationalfonds hat durch das Kunstrückgabegesetz den Auftrag erhalten, 'erblose' Kunstgegenstände aus öffentlichem Besitz zu verwerten. Es freut mich, dass die Universitätsbibliothek bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ein gutes Beispiel setzt und diese Objekte an den Nationalfonds übereignet. Der Erlös dieser einst geraubten Objekte wird im Sinne der Bestimmungen des Nationalfondsgesetzes NS-Opfern zugutekommen", so Hannah Lessing, die Generalsekretärin des Nationalfonds.

Erstmals wird diese Vorgehensweise nun an der Universität Wien in den Fällen der Bibliothek der All Peoples Association (APA) und der Objekte aus der Ägyptologischen Sammlung an Gipsabdrücken umgesetzt werden. Die 1935 gegründete Wiener Zweigstelle der APA wurde im Juni 1939 von den Nationalsozialisten aufgelöst. Das Vereinsvermögen, inklusive der Bibliothek, wurde zu gleichen Teilen unter dem Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände, der NSDAP und dem Gau Wien aufgeteilt. Dem Englischen Seminar der Universität Wien wurde schließlich der APA-Bestand zunächst als "Leihgabe" zugeteilt, um bereits wenig später als Eigenbestand geführt zu werden. Im Rahmen der NS-Provenienzforschung wurden die insgesamt 1.820 Druckschriftenbände eindeutig als Raubgut klassifiziert und die Restitution empfohlen, was mangels Rechtsnachfolger nicht möglich war. Im Fall der archäologischen Schausammlung des Instituts für Ägyptologie der Universität Wien wurden im Juli 1938 zwölf Objekte von der Gestapo übergeben, von denen sich über die folgenden Jahrzehnte nur fünf erhalten haben. Da keine Zuordnung zu bestimmten VorbesitzerInnen möglich war, die Objekte selbst keinen unikalen Charakter haben und auch keine weiterführenden Informationen etwa durch zusätzliche Quellenfunde zu erwarten sind, wurden sie als erbloses Gut an den Nationalfonds zur Verwertung übertragen und nun von der Universität Wien – diesmal legal – wieder erworben.

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