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Sammlung Huelsmann gibt Figuren an jüdische Erbin zurück - Huelsmann Collection returns two figures to the Jewish heirs

1998
1970
1945
Neue Westfaelische 16 December 2016

Nach zweijähriger Prüfung: Der Wert liegt vermutlich im vierstelligen Bereich


Romantische Darstellungen: Der Knabe (r.) schaut auf Hund und Katze, das Mädchen füttert die Hühner

Bielefeld. Der Brief traf am 14. November 2014 bei der Sammlung Huelsmann ein. Seine Absenderin: Bertha L. Gutmann aus Caldwell im Staat New Jersey (USA). In ihrem Schreiben machte die über 80-Jährige ihren Anspruch auf zwei Porzellanfiguren aus der Bielefelder Sammlung geltend. Die Objekte werden in den nächsten Tagen ihren Weg nach Amerika antreten.

Damit endet die Odyssee von zwei Kunstwerken aus der der bekannten Fuldaer Porzellanmanufaktur: Es handelt sich um das Figurenpaar "Hühnerfütterndes Mädchen" und "Knabe mit Katze und Hund", wie Freitag Hildegard Wiewelhove, die Leiterin der Sammlung, und Kulturdezernent Udo Witthaus erläuterten. Die zwei romantischen Darstellungen kannte Gutmann, die Nichte, von ihrem Onkel Heinrich Rothberger (1986-1953). Der jüdische Geschäftsmann handelte in Wien mit Textilien. Er gehörte zu den bedeutenden Kunstsammlern der Stadt. Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich am 13. März 1938 waren die jüdischen Familien zunehmend Restriktionen ausgesetzt. Im November 1942 entschlossen sich Rothberger und seine Frau, das Land zu verlassen. Über Barcelona und Kuba kamen sie nach Kanada, wo sie sich niederließen.

Das für die Auswanderung benötigte Geld hatte sich der Kaufmann bereits Jahre zuvor durch den Verkauf eines Teils seiner Kunstsammlung beschafft. Bei der Auktion im November 1938 in Berlin wurden die Figuren für 500 Reichsmark versteigert. Hinweise auf den Erwerber gibt es bis heute nicht. 1984 tauchten die Objekte wieder auf. Sie gehörten zum Nachlass des Bielefelder Fabrikantenpaars Gertrud-Agathe und Friedrich-Karl-August Huelsmann, der damals in den Besitz der Stadt überging. "Wann die Figuren zu den Sammlern gekommen sind, weiß ich nicht", betont Wiewelhove. Die Lücke zwischen 1938 und 1984 lasse sich nicht schließen.

Stattdessen tauchten das hühnerfütternde Mädchen und der Knabe bisher in unterschiedlichen Publikationen auf, 1986 etwa in einem Bildband des damaligen Kunsthallenchefs Ulrich Weisner und 1999 im Katalog der Stiftung Huelsmann. Ausführlich beschäftigen sich zudem die Autoren des Fachbuchs "Schneiden und sammeln" mit der Sammlung der Wiener Familie Rothberg.

Zwei Jahre sind vergangen, seitdem der Brief der Erbin in Bielefeld eingetroffen ist. Viel ist in dieser Zeit passiert. Der Antrag auf Restitution, wie die Rückerstattung enteigneter Kulturgüter auch heißt, wurde von der Museumsleitung in Abstimmung mit der Stadt geprüft. Das Ergebnis: Bertha L. Gutmann, die Erbin des Sammlers, bekommt die ihr zustehenden Kunstwerke zurück.

Diese Entscheidung basiert auf der Washingtoner Erklärung von 1998, wonach die Bundesrepublik ihre Bereitschaft erklärt, nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und mit den Betroffenen und ihren Erben eine "gerechte und faire Lösung" zu finden. Wie es auch in diesem Fall geschieht. Eine Spezialspedition wird die Figuren in diesen Tagen in die USA transportieren. Ihr Wert soll im vierstelligen Bereich liegen.

Eine Konsequenz hat der Vorgang für die Sammlung Huelsmann: "Es wurde deutlich, dass die Herkunft einer Reihe von Exponaten unklar ist", so Witthaus. Die Historie dieser Teile solle nun systematisch erforscht werden. Ermöglicht wird dies mit der Einrichtung einer neuen Stelle innerhalb der Sammlung. Über den entsprechenden Antrag hat das zuständige Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg positiv entschieden.

http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/mitte/21515874_Sammlung-Huelsmann-gibt-Figuren-an-juedische-Erbin-zurueck.html
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