News:

Kunst und Anspruch - Art and Claims

1998
1970
1945
Die Welt 14 February 2016
Von Thorsten Jungholt 

Bundesregierung streitet über Gesetz zu NS-Raubkunst. Der Entwurf von Justizminister Maas wird seit Monaten blockiert

Ajelet Schaked, Israels Justizministerin, eilt der Ruf voraus, einen durchaus resoluten Politikstil zu pflegen. Kontroversen scheut die 39-Jährige nicht. Es ist mithin nicht ausgeschlossen, dass Schaked an diesem Montag, bei ihrem Treffen mit dem deutschen Amtskollegen Heiko Maas (SPD) im Vorfeld der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen, nicht nur Nettigkeiten im Gepäck hat – sondern auch Themen anspricht, die in der Bundesregierung höchst umstritten sind. Zum Beispiel die Rückgabe von NS-Raubkunst.

Worum geht es? Geschätzt mehr als 600.000 Kunstwerke und Kulturgüter wurden von jüdischen Familien, Galeristen und Sammlern zwischen 1933 und 1945 durch die Nazis geraubt – durch Zwangsverkäufe, Beschlagnahme oder Plünderungen. Viele dieser Kunstgegenstände sind bis heute nicht aufgefunden worden, nur ein Bruchteil konnte den damaligen Eigentümern oder ihren Erben zurückgegeben werden.

Bereits 1998 verabschiedeten 44 Staaten in der Washingtoner Konferenz politisch verbindliche Grundsätze, in denen sie sich dazu bekannten, "gerechte und faire Lösungen" für die Rückgabe von ausfindig gemachten Werken suchen zu wollen. Für den Bereich der öffentlichen Sammlungen setzte die Bundesrepublik diese Selbstverpflichtung auch zügig um. Für private Sammler allerdings ist das alles nicht verbindlich. Ansprüche der ursprünglichen Eigentümer gegen Private sind heute aus rechtlichen Gründen in der Regel nicht mehr durchsetzbar. Die Anmeldefristen der Rückerstattungsgesetze sind verstrichen, Herausgabeansprüche verjährt. Offenbar wurde diese Rechtslage durch den "Schwabinger Kunstfund". Die staatsanwaltliche Beschlagnahme der Sammlung des Cornelius Gurlitt, die auch einige NS-Raubkunstwerke umfasst, stand juristisch auf tönernen Füßen. Erst nach langen Verhandlungen kam es zu einer Vereinbarung zwischen Gurlitt und der Bundesregierung. Die umfasste auch die Formulierung der Washingtoner Erklärung, wonach bei Werken mit NS-Raubkunsthintergrund "eine faire und gerechte Lösung" mit den Anspruchstellern angestrebt werden soll. Der Fall Gurlitt war für Justizminister Maas jedenfalls der Anlass zu überprüfen, wie künftig mit der Rückgabe von NS-Raubkunst verfahren werden kann. Herausgekommen ist dabei der "Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von abhandengekommenen Kulturgut", der der "Welt" vorliegt. Die aktuelle Rechtslage, so heißt es in den Erläuterungen des Entwurfs, sei nur schwer erträglich, weil durch den NS-Staat geschaffenes Unrecht dauerhaft manifestiert werde. Ziel des Gesetzentwurfs sei es deshalb, "die unbefriedigende Rechtslage zu korrigieren". So soll der Besitzer eines Kulturgutes dem Herausgabeanspruch des Eigentümers künftig nur dann noch die Einrede der Verjährung entgegenhalten können, "wenn er den Besitz in gutem Glauben erworben hat". Bei öffentlichen Versteigerungen soll gutgläubiger Erwerb überhaupt nur noch möglich sein, wenn der Veranstalter der Staat ist.

Maas hat seine Hausaufgaben gemacht. Dennoch wird er seiner israelischen Kollegin Schaked keine guten Nachrichten zu verkünden haben: Es ist nämlich höchst ungewiss, ob das Gesetz jemals in Kraft tritt. Der Entwurf stammt bereits aus dem August vorigen Jahres. Vorgesehen war, das Papier im September zur Stellungnahme an die Bundesländer zu versenden. Nach Auskunft des bayrischen Staatsministeriums der Justiz ist aber bis heute nichts eingegangen. Verhindert haben die Versendung Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Bundesregierung.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die wissen wollte, wann denn endlich mit einer Veröffentlichung des Entwurfs zu rechnen sei, ließ Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) Anfang Dezember mitteilen: "Über den Referentenentwurf eines Gesetzes zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von abhandengekommenem Kulturgut wird derzeit zwischen den Ressorts diskutiert. Der weitere Zeitplan steht noch nicht fest." Diese Aussage habe bis heute Bestand, hieß es auf Anfrage der "Welt" im Bundesministerium der Finanzen.

Damit sind die beiden Ressorts benannt, die offenbar Bedenken gegen das Gesetz haben und es blockieren: das Kanzleramt und das Finanzressort.


http://www.welt.de/print/welt_kompakt/print_politik/article152237125/Kunst-und-Anspruch.html
© website copyright Central Registry 2024