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Das Erbe des Rudolf Mosse - The Legacy of Rudolf Mosse

1998
1970
1945
Frankfurter Allgemeine 13 February 2015
von Regina Mönch

Die Nationalsozialisten haben Rudolf Mosse um seine Kunstsammlung gebracht und sie in alle Welt verstreut. Über vierhundert Kunstobjekte werden gesucht. Die Preußen-Stiftung gibt jetzt den Erben acht Objekte zurück.

Rudolf Mosse als Renaissance-Fürst: Anton von Werners „Gastmahl der Familie Mosse“ hing seit 1899 im Speisesaal ihres Berliner Stadtpalais am Leipziger Platz.

Rudolf Mosse, der große Berliner Zeitungsverleger, hatte nicht nur in kürzester Zeit ein Zeitungsimperium aufgebaut, dessen liberales, republikanisches Flaggschiff das legendäre „Berliner Tagblatt“ unter Theodor Wolff war. Mosse war auch ein großer Mäzen für die Künste und die Wissenschaft, investierte Millionen Reichsmark in soziale Projekte und gründete als Erster eine Pensionskasse für seine Mitarbeiter. Im Mosse-Palais am Leipziger Platz, das 1945 zerbombt wurde, trug er eine erlesene Kunstsammlung zusammen, darunter Werke von Adolf Menzel, Max Liebermann, Lovis Corinth, Karl Spitzweg, Wilhelm Leibl und Arnold Böcklin. Ein Teil der Sammlung schmückte Schloss Schockendorf, den Landsitz der Familie in Brandenburg. Immer wieder wurde die private Sammlung öffentlich gezeigt, seit 1908 erschienen zudem Sammlungskataloge.   

1934 wurde sie, wie das gesamte Vermögen der jüdischen Familie, von den Nationalsozialisten endgültig zerschlagen. Die Familie Mosse, wie die Ullsteins für die Nazis Symbol der verhassten „jüdischen Presse“, war sofort nach der Machtübernahme unerbittlich verfolgt worden, wegen ihres Glaubens, aber auch wegen ihrer politischen Haltung. Erna Felicia Lachmann-Mosse, Alleinerbin des elterlichen Vermögens, war darum schon 1933 mit ihrem Ehemann nach Frankreich emigriert. Die Nationalsozialisten gründeten kurz darauf - ohne Zutun der Mosses - eine sogenannte Rudolf Mosse Stiftung GmbH, deren einziger Zweck die schrittweise Enteignung der Familie war.

Sie nannten es zwar „Überführung“ und gaben als ziemlich durchsichtigen Stiftungszweck die „Unterstützung der Opfer des Weltkrieges“ an, nur wurde nicht einmal verschleiert, dass der Gewinn dem Reichsarbeitsministerium zu überstellen war. Bald wurde, wie üblich in diesen Jahren, eine Pleite ins Gespräch gebracht, die sich bereits viel früher angekündigt habe, und der Mosse-Konzern schließlich, wegen angeblich hoher Verluste, in ein Vergleichsverfahren getrieben. Ein halbes Jahr später schon gab auch die ominöse Mosse Stiftung GmbH auf, ihr fehlten ja nun die angeblich erwarteten Gewinne, und der Raub war perfekt: Den Lachmann-Mosse-Besitz „verwaltete“ und „verwertete“ sodann eine sogenannte Treuhänderin. Die Immobilien übertrug der NS-Staat eigenen Institutionen, der wertvolle Kunstbesitz wurde überwiegend in den Auktionshäusern Rudolph Lepke und Union versteigert, zum Teil wohl auch einzeln verkauft. An wen und wohin, blieb lange im Dunkeln, doch sind zumindest die Auktionskataloge von 1934 in den Raubkunst-Datenbanken erfasst.

Professionalisierung der Raubkunstsuche

Bereits 1952 hielt ein deutsches Kammergericht in seinem Urteil fest, dass Felicia Lachmann-Mosse schon im Frühjahr 1933 rassisch verfolgt worden war und damals „die rechtliche, tatsächliche und wirtschaftliche Verfügungsbefugnis“ über ihr Privatvermögen verloren hatte. Sie wurde zum Teil entschädigt, doch das wertvolle Grundstück am Leipziger Platz im Zentrum Berlins, auf dem heute wieder ein, wenn auch bescheideneres Mosse-Palais steht, bekamen ihre Erben erst 1992 zurück. In den Mauerjahren verlief dort die Grenze.

Nach von den Nazis geraubter Kunst begannen nicht nur deutsche Museen erst nach der „Washingtoner Erklärung“ von 1998 intensiv zu suchen, auch für die Erben war es häufig erst dann möglich, mit einem verkraftbaren Aufwand zu recherchieren. Datenbanken wie Lost Art in Magdeburg oder die zu den Machenschaften des Kunsthandels machten es für viele vom Kunstraub Betroffene zum ersten Mal möglich, ihren verlorenen Besitz konkret zu benennen.

©spk Gauls „Liegender Löwe“ überstand den Krieg im Garten des Mosse-Palais.

Auch die Erben von Felicia Lachmann-Mosse, in Deutschland vertreten durch die Berliner Kanzlei Raue LLP, stellten erst im vergangenen Sommer bei Lost Art 440 Kunstobjekte ein, Gemälde, Plastiken, Antiken, Möbel und Schmuck. Gleichzeitig fand die Stiftung Preußischer Kulturbesitz einige Objekte, die aus der Sammlung Rudolf Mosses stammen. Die Stiftung sucht seit Jahren systematisch in allen ihren Sammlungen nach Kunst mit verdächtiger Provenienz. Erste Indizien hatten sich fast zufällig ergeben, als man die Herkunft zweier ostasiatischer Windhundstatuen ohne Inventarnummern überprüfte und die Spuren zur Mosse-Sammlung wiesen.

Inzwischen steht zweifelsfrei fest, dass nicht nur zwei, sondern acht Kunstwerke aus dem Mosse-Besitz kommen. Vor wenigen Monaten - die Preußen-Stiftung hatte begonnen, nach möglichen Erben zu suchen - wurde sie vom Mosse Art Restitution Project um Auskünfte zu zweien dieser Werke gebeten. Das kleine Konvolut, darunter das über Lost Art gesuchte Opferbecken und der Eingeweidekrug aus dem Ägyptischen Museum, darf vorerst als Leihgaben in den Museen bleiben. Außer den beiden altägyptischen Exponaten handelt es sich um einen kostbaren römischen Sarkophag, der 1942 ins Museum kam, um eine Löwenskulptur von August Gaul, die der Kunstbeauftragte des Berliner Magistrats einst auf dem Bombengrundstück der Mosses in der Voßstraße aus den Trümmern geborgen und in die Nationalgalerie gebracht hat, die Windhunde sowie zwei altchinesische Löwen auf Lotussockeln.

Eine glückliche Fügung, die auch möglich wurde, weil Raubkunstsuche in den letzten Jahren professioneller geworden ist und vor allem weltweit vernetzt. Die Kanzlei Raue LLP wird in den nächsten Wochen mit weiteren deutschen Museen verhandeln, in denen endlich Werke aus der Mosse-Sammlung gefunden worden sind. Hermann Parzinger, Präsident der Preußen-Stiftung, ist froh über die unkomplizierte Einigung und bedankt sich für die Leihgaben bei den Erben des Verlegers, der „wie kein Zweiter für das liberale Berlin des frühen 20. Jahrhunderts stand“. Und J. Eric Bartko, Leiter des Mosse Art Restitution Project, dankt der Preußen-Stiftung „für ihren Willen zur Wiedergutmachung“. Das Institut gehört zur Mosse Foundation, die mit ihren noblen guten Werken Rudolf Mosses Erbe als Förderer der Künste und der Wissenschaft weiterträgt.


http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/rueckgabe-von-raubkunst-das-erbe-des-rudolf-mosse-13423132.html
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