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„Die Schweiz will nicht nur profitieren“ - "Switzerland will not only benefit"

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Süd Kurier 27 November 2014

Das Kunstmuseum Bern wird sich nach dem Gurlitt-Zuschlag verstärkt um die Herkunftsforschung kümmern

Das Kunstmuseum Bern erstrahlt in neuem Licht, seit bekannt wurde, dass die Bilder der Sammlung Gurlitt hier ihre neue Heimat finden werden

Das Ja zum Gurlitt-Erbe hat in Bern zu positiven Reaktionen geführt, doch von Euphorie ist keine Rede. „Das ist eine große Chance für Bern“, sagte Stadtpräsident (Bürgermeister) Alexander Tschäppät. Das Kunstmuseum könne damit seine Sammlung um wichtige Elemente erweitern und so attraktiver für Besucher aus dem In- und Ausland werden. Doch die Schweiz werde sich auch an der aufwendigen Provenienzforschung beteiligen. „Bern kann nicht nur profitieren und nichts damit zu tun haben wollen“, so der Sozialdemokrat, der auch als Abgeordneter im Schweizer Nationalrat tätig ist. „Hier muss sich aber auch der Bund großzügig zeigen. Die Schweiz steht in einer moralischen Pflicht, die Geschichte der einzelnen Werke aufzuklären und Raubkunst auszuschließen“, doppelte Tschäppät im Schweizer Rundfunk nach.

Laut Christoph Schäublin, dem Vorsitzenden des Stiftungsrats des Kunstmuseums Bern, hat eine ungenannt sein wollende Berner Mäzenin bereits einen siebenstelligen Betrag in Aussicht gestellt, damit das Kunstmuseum sich mitbeteiligen kann an der Erforschung der Provenienz der einzelnen Werke aus der Sammlung Gurlitt. „Die Schwelle des Kunstmuseums werden keine Werke passieren, die sich als Raubkunst erwiesen haben“, hatte Schäublin bereits am Montag in Berlin gesagt und damit klargestellt, dass Bern seinen Teil der historischen Verantwortung ernst nehmen will.

Sichert sich Bern mit seiner eigenen Provenienz-Forschung einen ungebührlichen Einfluss und versucht so, mittels strenger Kriterien möglichst wenige Werke als Raubkunst zu deklarieren, damit viele der Gemälde und Grafiken dann auch tatsächlich den Weg ins Berner Kunstmuseum finden? Nein, diesen Verdacht weist Museumsdirektor Matthias Frehner klar zurück: „Das ist Unsinn. Keine ernst zu nehmende Forscherpersönlichkeit würde ich zur Mitarbeit gewinnen, wenn sie solchen Beeinflussungen ausgesetzt wäre“, sagte Frehner im Bund. Der Direktor des Kunstmuseums Bern hat selber über Raubkunst publiziert und war auch Kunst-Redakteur bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), bevor er nach Bern kam.

Mit einem Kommentar vergällte ausgerechnet die NZZ ihrem Ex-Mitarbeiter die Freude über das Erbe: „Das Konvolut enthält ein paar schöne Blätter: Gouachen von Heckel, Müller und Marc, gut erhaltene Drucke von Kirchner. Es findet sich aber, jedenfalls so viel wir im Moment wissen, kein wirklich sensationelles Stück unter ihnen“, schrieb die NZZ und zog das Fazit, „mit einer raschen, bedeutsamen Ausweitung der Sammlung in künstlerischer Hinsicht rechnet niemand mehr“.

Das sieht man in Bern natürlich anders: Auch wenn noch nicht klar ist, welche Werke wann tatsächlich an den Wänden des Kunstmuseums Bern hängen werden – Direktor Frehner zeigt sich überzeugt davon, dass einige Glanzstücke in dieser Hinterlassenschaft zu finden sind.

Die unverdächtigen Werke sollen in die Sammlung des Kunstmuseums Bern integriert werden, die bereits jetzt wichtige Werke der klassischen Moderne von Matisse, Kandinski, Picasso oder Modigliani enthält, neben wichtigen schweizerischen Positionen wie Ferdinand Hodler, Cuno Amiet, Meret Oppenheim oder Markus Raetz. Ein eigenes „Gurlitt-Museum“ ist nicht geplant – im Gegensatz zum Zentrum Paul Klee, das vor zehn Jahren einen Neubau des Stararchitekten Renzo Piano am Stadtrand von Bern bezogen und sich seither zu einem Publikumsmagneten entwickelt hat.

Klar ist auch ein Letztes: Das Kunstmuseum Bern wird keine Steuern auf das Erbe zahlen müssen. „Von der deutschen Erbschaftssteuer sind wir als gemeinnützige Organisation befreit worden“, sagt Stiftungs-Vorsitzender Schäublin. „Da Cornelius Gurlitt keinen gewerbsmäßigen Kunsthandel betrieb, müssen auch keine Nachsteuern bezahlt werden.“

 

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