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Viel Aufregung, noch mehr Kränkung

1998
1970
1945
Handelsblatt 8 November 2013
von Olga Kronsteiner

Tobias Natter, seit 2011 museologischer Direktor des Leopold-Museums, quittierte seinen Dienst. Anlass sind Vorkommnisse rund um die Gründung einer Privatstiftung, in dem der kaufmännische Leiter des Hauses Vorsitzender ist.



Tobias Natter, der museologische Direktor des Leopold Museum in Wien, trat zurück.

Wien
Seit 2002 verleiht das Wiener Landesgremium des Kunsthandels den „OscArt“, einen Ehrenpreis für besondere Verdienste um die Kunst, ihre Vermittlung und Vermarktung. Bislang war dem jährlichen Würdigungszeremoniell weder medial noch seitens der breiten Öffentlichkeit rasende Aufmerksamkeit zuteil geworden. Der 28. Oktober 2013 brachte insofern eine „dramatische“ Wende.

Kaum war Tobias Natter die Auszeichnung überreicht worden, gab der seit 2011 amtierende museologische Direktor des Leopold Museums vor laufenden Kameras den Rücktritt von dieser Funktion bekannt und erläuterte seine Beweggründe. Zusammengefasst geht es dabei um Vorkommnisse um die Gründung der Klimt-Ucicky-Foundation.


Nostalgiefahrt an den Attersee. Mit von der Partie, Peter Weinhäupl (2.v.li), dessen Lebensgefährtin Sandra Tretter (3.v.li) und Andreas Nödl (re.), hier mit einem authentischen Reisekoffer, der nun zum Kernbestand der Klimt-Ucicky-Stiftung gehört. Quelle: Leopold Museum

Kunst für rund 200 Millionen

Wie im Handelsblatt vom 27. September („Wertvolle Wasserschlangen“) berichtet, war Anfang September von Ursula Ucicky, der 91-jährigen Witwe des NS-Propagandafilmregisseurs, eine Stiftung gegründet worden, in die sie 14 Kunstwerke im Wert von rund 200 Millionen Euro, jedoch mit teils problematischer Provenienz einbrachte. Als Vorstandsvorsitzender auf Lebenszeit wurde Peter Weinhäupl, kaufmännischer Direktor des Leopold Museums, ernannt. Tobias Natter und Familie Leopold hatten davon erst aus den Medien erfahren.

Personelle Verflechtungen

Nicht nur Natter, sondern zwischenzeitlich auch andere namhafte Protagonisten der österreichischen Kunst- und Kulturlandschaft orteten einen Interessenkonflikt. Einen solchen sah und sieht Weinhäupl nicht und bekam dabei auch Schützenhilfe: „Keine Unvereinbarkeit“, verlautbarte Helmut Moser, vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) entsandter Vorstandsvorsitzen der Leopold Museums-Privatstiftung. Er übe diese Tätigkeit „angeblich ehrenamtlich aus“, begründet auch Elisabeth Leopold in einem ORF-Interview („Kulturmontag“, 4. 11) die Kompatibilität. Den entsprechenden Paragraphen (§7) in der Stiftungsurkunde, wonach „Mitglieder der Stiftungsorgane“ Anspruch auf eine angemessene Entlohnung haben, erklärt Weinhäupl (Telefonat, 31.10.) mit Hinblick auf eine eventuelle spätere hauptberufliche Tätigkeit.

Eine Trennung zwischen dem Leopold-Museum (LM) und der Klimt-Ucicky-Stiftung ist jedoch angesichts enger personeller Verflechtungen nach außen hin kaum möglich. Denn neben Weinhäupl besetzen weitere Personen aus dem Umfeld des Museums Schlüsselpositionen in dieser Foundation: Geschäftsführerin (auf Lebenszeit) Sandra Tretter, Lebensgefährtin Weinhäupls und bis Anfang August Kuratorin am Museum, außerdem Anwalt Andreas Nödl (Mitglied des Vorstandes der LM Privatstiftung) als Rechtsberater. Dazu hatte man noch die vom BMUKK an das Museum entsandte Provenienzforscherin mit Recherchen zur Causa Felsövanyi beauftragt.


Gustav Klimts Ölgemälde "Wasserschlangen II", 1904, wurde hinter den Kulissen für 112 Millionen Dollar verkauft.

Unkritischer Einkauf

Dabei geht es um das 1902 von Gustav Klimt gemalte Porträt Gertrude Loew (verehelichte Felsövanyi), das ihr Sohn Anthony Felsovanyi im Juni 1938 im Salon des familieneigenen Palais in Wien ein letztes Mal gesehen hatte. Danach gelangte das Gemälde unter noch ungeklärten Umständen in die Sammlung Gustav Ucickys, der nachweislich von den organisierten Beutezügen während des nationalsozialistischen Regimes profitiert hatte. Peter Weinhäupl kommentierte dies im Gespräch mit Medien lapidar damit, dass Ucicky „mitunter unkritisch eingekauft“ habe.

Zweifel über Einigung

Zeitgleich mit der Verkündigung der Gründung der Klimt-Ucicky-Foundation war der über Sotheby’s vermittelte Privatverkauf des Klimt-Gemäldes „Wasserschlangen II“ bekannt geworden. Auch dieses Bild war belastet (bis 1938 im Besitz der Industriellen Jenny Steiner). Die Erben nach Steiner und Ursula Ucicky teilten sich die daraus eingenommenen 112 Millionen Dollar je zur Hälfte. Für diese Erbengemeinschaft soll jedoch bei diesem Deal die Einigung mit dem bald 99-jährigen Anthony Felsovanyi eine ganz wesentliche Rolle gespielt haben. Es blieb bei der Theorie; in der Praxis „übersiedelte“ das Problem in die Stiftung. Im August, erklärte Nödl, habe man hierzu Provenienzforschung beauftragt, spätestens bis Ende des Jahres erwarte man Ergebnisse.

Zwischenzeitlich verstarb Anthony Felsovanyi. Als dessen Tod bekannt wurde, gingen in Wien die Wogen hoch. Die Israelitische Kultusgemeinde urteilte „Aufregung und Kränkung als eine der Ursachen für das Ableben“ und verwies auf „Erfahrungen mit der Leopold-Stiftung“, die „nichts Gutes für die jeweiligen Erben von während des Nationalsozialismus entzogenen Kunstwerken“ verheißen würden.

Schatten auf dem Leopold Museum in Wien.

Versuch einer Abgrenzung

Statt sich seitens des Vorstandes des Leopold Museums der nunmehr längst öffentlich diskutierten Problematik zu stellen, erklärte Elisabeth Leopold, Witwe des Museumsgründers, in einer Aussendung: Das Museum habe „mit der Klimt-Ucicky-Stiftung nichts zu tun“ und sie „lehne es ab, damit in Verbindung gebracht zu werden“. Im Hinblick auf Weinhäupls Nebentätigkeit merkte sie an: „Was Angestellte in ihrer Freizeit tun, geht mich nichts an“.

Indirekt hatte sie damit quasi „ihren“ museologischen Direktor zugunsten des kaufmännischen geopfert.

Tobias Natter, der international anerkannte Kunsthistoriker, zog die Konsequenzen, wohl auch, um seine Reputation zu bewahren. „Es spricht Mut und große moralische Integrität daraus“, sagte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, der die „OscArt“-Laudatio auf Natter gehalten hatte. Ihm nötigte diese Entscheidung Respekt ab. „Mich wundert, dass er nicht das Gespräch, sondern die Inszenierung gesucht hat“, kommentierte Peter Weinhäupl diesen Schritt. Warum er weder seinen Ex-Kollegen noch Familie Leopold in die Pläne zur Gründung der Klimt-Foundation einweihte, erklärt Weinhäupl auf Anfrage: dies hatte rechtliche Gründe und entsprach weiters dem ausdrücklichen Wunsch der Stifterin Ursula Ucicky.

Am Montag traf der Stiftungsvorstand der Leopold Museums Privatstiftung zusammen und fasste „einstimmige Beschlüsse über die künftige personelle Führung“. Details gab man vorerst nicht bekannt. Dagegen informierte Tobias Natter, er sei für den Zeitraum der laufenden Kündigungsfrist bis Ende Jänner 2014 offiziell dienstfrei gestellt worden.

http://www.handelsblatt.com/panorama/kunstmarkt/tobias-natter-viel-aufregung-noch-mehr-kraenkung/9051638.html
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