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Münchner Raubkunst? Streit um Klees "Sumpflegende“

1998
1970
1945
Der Focus 21 April 2013

Wem gehört die „Sumpflegende“? Und wem der Picasso? München ist in den vergangenen Jahren zu einem Hauptschauplatz im Streit um Nazi-Raubkunst geworden.

An diesem Donnerstag treffen sich voraussichtlich die Stadt und die Erben der Kunstsammlerin Sophie Lissitzky-Küppers vor Gericht. Die Erben fordern Paul Klees „Sumpflegende“ aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus zurück. Wenn sich die Parteien bis dahin einigen, fällt der Gerichtstermin wohl flach, wie die Stadt mitteilte. Danach aber sieht es eher nicht aus.

Denn der Streit um das berühmte Bild schwelt schon seit Jahren oder vielmehr Jahrzehnten. Alle Einigungsversuche scheiterten bislang. Die Erben gehen davon aus, dass das Bild einst von den Nazis widerrechtlich beschlagnahmt wurde. Lissitzky-Küppers hatte das Gemälde im Jahr 1927 – zusammen mit weiteren Werken – als Dauerleihgabe an das Provinzialmuseum in Hannover gegeben, um ihrem Ehemann nach Russland zu folgen.

Das Bild wurde 1937 von den Nationalsozialisten als „entartet“ beschlagnahmt, später in der Münchner Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt und 1941 an einen Nazi-Kunsthändler verkauft. Die Stadt München und die Gabriele Münter- und Johannes Eicher-Stiftung kauften das Ölbild Anfang der 1980er Jahre für die Galerie im Lenbachhaus.

Auch die Justiz hat sich bereits mit dem Fall befasst. Anfang der 1990er Jahre ging ein Prozess um das Bild zwischen Lissitzky-Küppers´ Sohn Jens Lissitzky und der Stadt zugunsten der Stadt aus. Der Gerichtstermin an diesem Donnerstag soll nach Angaben von Richterin Inga Hansen ein „expliziter Gütetermin“ sein, wie sie bei der Festsetzung im Dezember vergangenen Jahres sagte. Es sei doch denkbar, das Bild im Münchner Lenbachhaus zu lassen und die Erben zu entschädigen. „Das wäre ein schönes Ergebnis“, sagte sie und sprach von einem „Akt der Gerechtigkeit“.

Streitigkeiten wie diese sind inzwischen an vielen deutschen Museen nahezu an der Tagesordnung. Dabei klingt es auf dem Papier ganz einfach: Die Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1998 gilt als Wegweiser für Fragen rund um Raub- und Beutekunst. Die 40 unterzeichnenden Staaten – darunter Deutschland – verpflichteten sich damals, Nazi-Raubkunst zu identifizieren, die rechtmäßigen Besitzer zu finden und die Werke entweder zurückzugeben oder eine „faire Lösung“ zu finden. So weit, so unklar.

Allein in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen müssen nach Museumsangaben 4400 Gemälde und 770 Skulpturen, die nach dem Machtantritt der Nazis 1933 in die Bestände aufgenommen wurden, auf ihre Herkunft untersucht werden. Kunsthistorikerin und Provenienzforscherin Andrea Bambi schätzt, dass es bei jedem einzelnen Werk zwischen sechs Monaten und einem Jahr dauert, bis seine Herkunft geklärt ist.

Auch um Pablo Picassos „Madame Soler“ in der Pinakothek der Moderne, die auch zahlreiche Kostbarkeiten aus ehemaligem Nazi-Besitz wie Eva Brauns Uhr, ein Geschenk von Adolf Hitler, verwahrt, gibt es Streit. Auch die Madame beschäftigt die Justiz. Nach jahrelangem Streit fordern die Erben des jüdischen Kunstsammlers Paul von Mendelssohn-Bartholdy das wertvolle Gemälde nun per New Yorker Gericht vom Freistaat Bayern zurück.

http://www.focus.de/kultur/kunst/kunst-muenchner-raubkunst-streit-um-klees-sumpflegende_aid_966891.html
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