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Sammlung Arthur Goldschmidt Klassik-Stiftung wird rechtmäßiger Besitzer von NS-Raubkunst

1998
1970
1945
MDR 8 February 2013

To see Arthur Goldschmidt's books and almanacs and listen to an interview with his grandson, Thomas Goldschmidt, click here.


Thomas Goldschmidt, grandson of Jewish entrepreneur and collector Arthur Goldschmidt, and Michael Knoche, Director of the Herzog Anna Amalia Library

In Weimar endet einer der größten Restitutionsfälle von NS-Raubkunst im deutschen Bibliothekswesen mit dem rechtmäßigen Erwerb einer abgepressten Kunstsammlung. Die Klassik-Stiftung hat sich mit den Erben des jüdischen Leipziger Unternehmers und Kunstsammlers Arthur Goldschmidt darauf verständigt, dessen Almanach-Sammlung mit Erstveröffentlichungen Goethes ein zweites Mal anzukaufen - für einen angemessenen Preis. Hatte das Goethe- und Schiller-Archiv die Sammlung 1936 weit unter Wert für 2.000 Reichsmark erworben, zahlt die Klassik-Stiftung jetzt einen "niedrigen sechsstelligen Betrag".

Goldschmidt war nach Recherchen der Klassik-Stiftung ein erfolgreicher Futtermittelunternehmer - allerdings wider Willen: Seine wahre Leidenschaft sei das Sammeln von Büchern gewesen. 40.000 Bände umfasste die Sammlung, als Goldschmidt Opfer der Judenverfolgung der Nationalsozialisten wurde - darunter 2.000 Almanache. 1933 verlor er sein Unternehmen an den "Reichsnährstand" - eine NS-Organisation, mit der das Hitler-Regime die kriegswichtige Ernährungswirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hatte.

Hüter der deutschen Klassik nutzen Notlage eiskalt aus

Goldschmidts Familie geriet durch die Enteignung bald in existenzbedrohende Finanznot. 1935 begann der Sammler, sich von seinen Büchern zu trennen. Mit dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar, das heute zur Klassik-Stiftung gehört, verhandelte Goldschmidt über einen Verkauf der Almanache.

Die Hüter der deutschen Klassik nutzten die Notlage des Leipziger Juden eiskalt aus: Ungeachtet der Tatsache, dass zahlreiche Erstdrucke der Weimarer Klassiker das Archiv ideal ergänzt hätten, gab Direktor Hans Wahl vor, nicht mehr als eine Mark pro Band ausgeben zu können. Goldschmidt, der den Wert seiner Almanach-Sammlung auf 50.000 Reichsmark geschätzt hatte, war wirtschaftlich am Ende und willigte schließlich ein. Ihm gelang mit seiner Familie zwar die Emigration nach Bolivien, wo er nach Auskunft seiner Tochter verarmt mit 56 Jahren jedoch nicht noch einmal Fuß fassen konnte. Geschwister, Neffen und Nichten von Goldschmidts Frau Hertha überlebten den Holocaust nicht.

" ... weil Herr Goldschmidt natürlich Jude ist."

Hans Wahl, Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar, zum Ankauf der Sammlung Arthur Goldschmidt 1936 für einen außerordentlich niedrigen Preis

1955 gelangten die 2.000 Bände in die damalige Zentralbibliothek der Deutschen Klassik, aus der die Anna-Amalia-Bibliothek hervorgegangen ist. Direktor Michael Knoche sagte am Freitag, erst 2005 habe man durch eigene Recherchen festgestellt, dass Restitutionsansprüche der Familie Goldschmidt bestünden. Die Sammlung sei für die Stiftung von "außerordentlich großer Bedeutung" und zähle zum "Kernbestand" der Weimarer Bibliothek. Einige Titel seien antiquarisch nicht mehr zu erwerben.

Anfangsverdacht auf Raubkunst bei einem Drittel der Ankäufe aus NS-Zeit

Nach den Worten von Stiftungspräsident Hellmut Seemann ist die gütliche Einigung zum dauerhaften Verbleib der Almanache ein Ergebnis der Provenienzforschung. Die Stiftung bemühe sich gegenwärtig um ein entsprechendes Forschungsprojekt, da es in ihren Einrichtungen in der NS-Zeit wiederholt zu Ankäufen von unrechtmäßig erworbenem Kulturgut gekommen sei. Derzeit gebe es bei 22 bis 37 Prozent der zwischen 1933 und 1945 erworbenen Bestände der Klassik-Stiftung einen Anfangsverdacht, dass es sich um Raubgut handele.

Anfangsverdacht auf Raubkunst bei einem Drittel der Ankäufe aus NS-Zeit

Nach den Worten von Stiftungspräsident Hellmut Seemann ist die gütliche Einigung zum dauerhaften Verbleib der Almanache ein Ergebnis der Provenienzforschung. Die Stiftung bemühe sich gegenwärtig um ein entsprechendes Forschungsprojekt, da es in ihren Einrichtungen in der NS-Zeit wiederholt zu Ankäufen von unrechtmäßig erworbenem Kulturgut gekommen sei. Derzeit gebe es bei 22 bis 37 Prozent der zwischen 1933 und 1945 erworbenen Bestände der Klassik-Stiftung einen Anfangsverdacht, dass es sich um Raubgut handele.


http://www.mdr.de/nachrichten/klassikstiftung-raubkunst100_zc-e9a9d57e_zs-6c4417e7.htm
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