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Verschollenes Gemälde wieder zurück in Sanssouci

1998
1970
1945
Berliner Zeitung 12 July 2012
By Gerold Büchner

Ein lange vermisstes Gemälde, das einst den Alten Fritz betörte, hängt wieder in Sanssouci. Für die Schlösser-Stiftung keimt damit wieder etwas Hoffnung auf. Allein in Sanssoucis Gemäldegalerie werden seit dem Zweiten Weltkrieg noch rund 90 Bilder vermisst.

Drei Herren, zwei Damen und ein Toter: US-Botschafter Philip Murphy (r.) übergibt Stiftungschef Hartmut Dorgerloh (l.) das Bild von Salomé und Johannes.
Drei Herren, zwei Damen und ein Toter: US-Botschafter Philip Murphy (r.) übergibt Stiftungschef Hartmut Dorgerloh (l.) das Bild von Salomé und Johannes. Foto: dpa

„Das war wie im Krimi“, erzählt Samuel Wittwer über den Moment, der Sanssouci eines seiner wertvollsten Gemälde zurückgebracht hat. Der für die preußischen Sammlungen in Berlin und Potsdam zuständige Direktor musste im vergangenen Jahr für 24 Stunden nach Kalifornien fliegen. Im Gepäck hatte er die Schwarz-Weiß-Kopie eines Bildes, das Friedrich der Große für seine königliche Galerie angeschafft hatte. Seit 1945 war es verschollen.

In Kalifornien verglichen Beamte der Zollbehörden die Kopie und das Gemälde, das eine Amerikanerin zum Kauf angeboten hatte. „Zum Glück war es nicht restauriert worden“, erzählt Wittwer. So konnte die Identität anhand kleiner Schäden zweifelsfrei festgestellt werden. „Sie wissen doch, eine Narbe enthüllt jeden Verbrecher“, sagt der Experte der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und lacht befreit auf. Der Rest war rechtliche Kleinarbeit, seit Mittwoch hängt das Bild „Salomé mit dem Haupt Johannes des Täufers“ wieder in Sanssouci.

Passend zum Jubiläumsjahr

„Für uns ist es unersetzlich – ein Wert, der nicht beziffert werden kann“, sagt Wittwer auf Fragen nach dem möglichen Marktpreis des Gemäldes. Der US-Botschafter in Deutschland, Philip D. Murphy, zeigt sich ebenso froh wie SPSG-Generaldirektor Hartmut Dorgerloh, dem er das Bild übergeben hat. „Es ist nach Hause zurückgekehrt“, sagt der Botschafter auf Deutsch, was für seinesgleichen keineswegs selbstverständlich ist. Er schlägt gleich einen Bogen zum Jubiläumsjahr des großen Preußenkönigs: „Wie könnte man dem Schloss Sanssouci besser zum 300. Geburtstag des Alten Fritz gratulieren?“

Murphy wertet die Rückgabe auch als Beleg dafür, wie gut die deutsch-amerikanischen Beziehungen im Kulturbereich funktionieren. „Respekt für die Kultur der Anderen ist einer der gemeinsamen Werte“, sagt er. Im Gegensatz etwa zu Russland gibt es in den USA klare Gesetze für die Restitution von Beutekunst, die laut Dorgerloh auch angewendet werden.

Die jüngste Geschichte des nun zurückgekehrten Gemäldes bezeugt dies. Im 18. Jahrhundert wurde es als Kopie eines Bildes von Peter Paul Rubens angefertigt. Gemäldekopien hatten vor der Erfindung von Fototechnik und Farbdruck nichts Anrüchiges, im Gegenteil: „Man zeigte: Auch diesen Rubens habe ich“, sagt Dorgerloh über damalige Motive. Und diese Kopie sei „sehr hochstehend“, urteilt Wittwer.

Friedrich habe das Bild womöglich auch wegen der inhaltlichen Bezüge erworben, 1764 als eines der ersten Gemälde für seine neu errichtete Galerie: Schließlich heißt es in der Legende, Salomé, die mit roten Wangen den bleichen, abgeschlagenen Kopf des Täufers präsentiert, habe dessen Tod als Preis für einen verführerischen Tanz gefordert. Das habe zur Vorstellungswelt Friedrichs gepasst, sagt Wittwer. Der Preußenkönig galt als etwas verklemmter Feingeist. Schon 1942, als die Nazis offiziell noch den Endsieg propagierten, wurde das Bild mit anderen Kunstwerken in das Schloss Rheinsberg ausgelagert. 1945 beschlagnahmte die Rote Armee große Teile der Bestände. Die Rubens-Kopie indes wurde von einem sowjetischen Soldaten „abgezweigt“, wie Wittwer sagt. Dorgerloh spricht von einer „privaten Trophäennahme“, die häufiger vorgekommen sei als bislang vermutet.

Zeichen der Hoffnung

In Moskau wechselte das Gemälde aus Potsdam noch einmal den Besitzer; mit dem neuen gelangte es vor etlichen Jahren in die USA. Eine Tochter der Familie erbte das Bild, konnte aber damit nicht viel anfangen und bot es 2011 einem Auktionshaus zum Weiterverkauf an. Dort passte jemand auf, suchte das Werk in einem Online-Register verschollener Kunst – und ermöglichte damit erst das Rückgabeverfahren, das nun glücklich abgeschlossen werden konnte.

Für die Schlösser-Stiftung liegt darin auch ein Zeichen der Hoffnung. Denn insgesamt fehlen seit dem Zweiten Weltkrieg fast 4000 Gemälde aus preußischen Gemächern. Allein in Sanssoucis Gemäldegalerie werden noch 89 Bilder vermisst, die Hälfte des Bestandes beim Tod des Alten Fritz. Vor 65 Jahren hätte sich niemand vorstellen können, dass die Restitution so lange dauert, sagt Murphy. Dorgerloh tröstet sich damit, dass immer wieder Rückgaben gelingen – oft wie im Fall von Salomé und Johannes deshalb, weil Bilder vererbt oder zum Kauf angeboten werden.

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/gluecklicher-fund-verschollenes-gemaelde-wieder-zurueck-in-sanssouci,10809148,16600630.html
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