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Streit um Luxus-Oldtimer. Wie der grĂ¼ne Mercedes rot wurde

1998
1970
1945
Frankfurter Allgemeine 14 June 2012
By Niklas Maak

Nicht nur Gemälde, auch Autos: Was bedeutet der Fall eines beschlagnahmten, 4,9 Millionen Euro teuren Sport-Roadsters von 1935 für die Diskussion um Restitution?

© Privat 160 PS, Reihenachtzylinder und 5 Liter Hubraum: etwa zehn Jahre erfreute dieser Mercedes-Benz 500k Spezial-Roadster seinen Besitzer Hans-Friedrich Prym

Der Stolberger Unternehmer Hans-Friedrich Prym war sechzig Jahre alt, als er sich 1935 ein besonderes Auto leistete: Einen Mercedes-Benz 500k Spezial Roadster in grüner Sonderlackierung, ein Zweisitzer, der damals zu den teuersten Fahrzeugen gehörte, die für Geld zu bekommen waren. Prym hatte Geld. Er stammte aus der ältesten deutschen Unternehmer-Dynastie, die Pryms sind schon 1340 in Aachen nachgewiesen, die Vorfahren haben den Druckknopf erfunden und vieles andere, die Firma gibt es heute noch.

Man weiß nicht genau, was mit dem Wagen passierte, wer ihn fuhr, ob Prym ihn in diesen letzten vier Jahren vor dem Krieg selbst an sonnigen Junitagen über die staubigen Landstraßen des Saubachtals steuerte oder sogar weiter, nach Aachen oder Brüssel rauschte. Nur wenige Jahre später wurden in Pryms Fabriken Kriegsmaterialien hergestellt, und obwohl Prym nie der NSDAP beigetreten war, verlor er nach dem Krieg seine Fabriken - und sein Auto, das er in einem Werkstattgebäude vor den Beschlagnahmungen der Nationalsozialisten versteckt hatte.

Diebesgut als Eigentum?

Offenbar wurde der Wagen im Sommer 1945 entwendet - unklar ist, ob von amerikanischen Soldaten oder von Dieben. Seitdem galt das Auto als verschollen. Aber im August 2011 erfuhren Pryms Nachfahren über einen „Google Alert“, dass ein kanadisches Auktionshaus bei einer Versteigerung in Kalifornien einen der extrem seltenen Mercedes 500k anbietet. Das Auktionshaus machte bei Nachfrage der Erben geltend, dass ihre Eigentumsrechte ohne Zweifel verfallen wären.

„Aber woraus sollte sich ergeben, dass rechtmäßiges Eigentum an einer Sache, die 1945 schlicht gestohlen worden war, und zwar offensichtlich von Besatzungssoldaten bei ihrem Abzug, seither verlorenging?“, fragen der prozessleitende Anwalt Martius und der Beutekunst-Experte Christoph von Berg. Weder nach deutschem noch nach amerikanischem Recht kann jemand Eigentümer werden, wenn er gestohlene Sachen kauft. Und ob „der Eigentümer seine Rechte durch schieren Zeitablauf, also durch Ersitzung oder Verjährung verlieren kann“, sei mehr als fraglich.

Erweiterung des Forschungsbereichs

Das Fahrzeug war zuletzt im August 2011 bei einer Auktion in Monterey für 3,8 Millionen Dollar an den niederländischen Kaufmann Frans van Haren versteigert worden - und das, obwohl zuvor die Prym-Erben bereits mitgeteilt hatten, dass sie an dem Fahrzeug Ansprüche geltend machen. Im März 2012 taucht der seit längerem rot lackierte Mercedes schließlich bei der Techno Classica in Essen auf. Van Haren hatte das Fahrzeug bei dem Luxusoldtimer-Händler Eberhard Thiesen für 4,9 Millionen Euro angeboten. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung wurde der Wagen sichergestellt. Ende Mai fand nun in Hamburg die mündliche Verhandlung zur einstweiligen Verfügung statt, wobei das Landgericht der einstweiligen Verfügung stattgegeben hat.

Was sind die Folgen dieses Falls? Vor allem wohl, dass die Provenienzforschung auch auf Automobile des sogenannten Hochpreissegments ausgedehnt werden wird. Die Familie Prym hat ihren Wagen den Krieg über versteckt, er wurde vermutlich nach Kriegsende von amerikanischen Soldaten mitgenommen. Es gibt aber noch ganz andere klassische Fahrzeuge, die ebenfalls auf dem internationalen Luxusfahrzeugmarkt auftauchen - die Fahrzeuge geflohener oder deportierter jüdischer Familien; Automobile, die heute Millionenwerte haben und bei denen, wie bis vor einigen Jahren auch im Kunsthandel, unklare Provenienzen zwischen 1933 und 1945 bisher nicht als ernsthafter Hinderungsgrund für den Verkauf galten. Doch auch in diesem Feld wird es noch vergessene Schicksale und ungeklärte Eigentumsverhältnisse zu recherchieren geben, die sich hinter den polierten Felgen und den umlackierten Karossen verbergen.

 

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