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Das schicksal der sammlung Budge

1998
1970
1945
art das Kunstmagasin 4 January 2011
By Daniel Boese, Hamburg


Der Gobelin im Restaurant des Hamburger Hotels (Hotel Vier Jahreszeiten)

Das Hotel "Vier Jahreszeiten" gibt Gobelin an jüdische Erben zurück. Auch Puppenstube aus dem Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe vor Rückgabe an die Erben der Hamburger Sammlerin Emma Budge

Auf einmal ging es ganz schnell: Für Freitag Morgen waren die Anwälte des Hamburger Hotels "Vier Jahreszeiten" für einen Termin mit den Vertretern der Erben der jüdischen Sammlerin Emma Budge verabredet. Streitpunkt war ein Gobelin, der seit Jahrzehnten im Restaurant des Hotels hängt. 1937 hatte ihn Hotelbesitzer Fritz Haerlin bei einer Versteigerung von Raubkunst kaufen lassen. Doch das Treffen fiel aus, schon am frühen Donnerstag schickte das Hotel ein Fax, dass man den wertvollen Wandteppich aus dem Besitz von Emma Budge an die Erben zurückgeben werde. Man könne den Gobelin gerne direkt in die Anwaltskanzlei der Erben schicken. Damit ist ein Streit um Raubkunst, der diese Woche durch die Hamburger Medien ging, beendet worden.

Es war eine Welle schlechter Schlagzeilen über den Umgang mit Raubkunst aus jüdischem Besitz, die das Hotel in den letzten Tagen überrascht hatten. Das NDR Kulturmagazin hatte am 10. Januar berichtet, das Hotel verschleppe die Rückgabe des Gobelins: Seit Oktober 2009 habe es nicht auf eine Anfrage des Anwalts der Erben reagiert. "Skandal um diesen Teppich" schrieb das Boulevardblatt "Hamburger Morgenpost", "braune Schatten an der Wand" das "Hamburger Abendblatt". Dabei habe man sich nie geweigert, den Teppich zurückzugeben, sagte die Sprecherin des Hotels, Judith Fuchs-Eckhoff im Gespräch mit art. "Für Hoteldirektor Ingo Peters war schnell klar, dass es eine moralische Verpflichtung zur Rückgabe gibt", sagte Fuchs-Eckhoff. Sie bedauerte, dass das Schreiben der Erben so lange nicht bearbeitet worden sei. Es habe aber nie eine Nachfrage des Anwalts oder einen Anruf gegeben.

Der Berliner Anwalt Lothar Fremy vertritt die Erben von Emma Budge. Er versucht das Schicksal von 1500 Kunstgegenständen aus der Sammlung Budge aufzuklären. 300 hat er lokalisiert, und knapp 30 Stück wurden bereits zurückgegeben. Emma Budge sammelte gemeinsam mit ihrem Ehemann Henry Textilien, Porzellan und Kunstgegenstände des 16. bis 18. Jahrhunderts. Vor allem unter Porzellansammlern ist ihre Sammlung heute noch ein Begriff. Das liegt auch daran, dass nach ihrem Tod 1937 die Sammlung in Berlin versteigert wurde und seitdem die Provenienz "Sammlung Budge" als Qualitätsausweis gilt. Der Erlös der Versteigerungen blieb zwar deutlich unter Wert. Er lag aber insgesamt bei einer Million Reichsmark – die höchste Summe für eine einzelne Privatsammlung, die während des Nationalsozialismus versteigert wurde. Kuratoren des Berliner Schlossmuseums, des heutigen Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen Berlin, dokumentierten die Gegenstände der Sammlung vor der Auktion. Anhand des Katalogs und der Käuferliste konnte so auch jetzt nachgewiesen werden, dass der Wandteppich im Hotel "Vier Jahreszeiten" eindeutig aus Emma Budges Sammlung stammt.

Das Hotel "Vier Jahreszeiten" ist aber nicht das einzige Sorgenkind von Anwalt Fremy in Hamburg. Er wartet auch auf eine Reaktion der Behörde für Kultur und Medien. Im August 2010 hat er dort den Antrag auf Restitution einer Puppenstube aus der Sammlung des Museums für Kunst und Gewerbe gestellt. Bis heute hat er lediglich einen Brief erhalte, dass man die Anfrage prüfe. Fremy sagte zu art: "Das ist für mich schon eine klare Verzögerung. Die Behörde besteht auf einer sehr formalen Prüfung. Seit August 2010 liegen der Behörde alle Unterlagen vor, die sie erbeten haben, um entscheiden zu können. Die Erklärung dass jetzt immer noch geprüft werden muss, ist sehr dürftig." Mitte der Woche veröffentlichte die Behörde eine Pressemitteilung, in der der Vorwurf der Verzögerung zurückgewiesen wurde. Reinhard Stuth, Senator für Kultur und Medien, schrieb: "Ohne Zweifel müssen wir uns auch politisch dafür einsetzen, dass rechtmäßige Eigentümer oder ihre Erben wieder zu ihrem Recht kommen." Ein Sprecher der Behörde erklärte auf Nachfrage von art, dass die Rückgabe der Puppenstube aus der Sammlung Budge auf jeden Fall bevorstehe. Stefan Nowicki sagte: "Die Provenienz ist geklärt; es ist klar, dass zurückgegeben werden muss." Man müsse aber noch prüfen, ob dies die Finanzbehörde als Verwalterin öffentlichen Eigentums alleine entscheiden könne oder ob dafür ein Beschluss der Bürgerschaft nötig sei. Dies stehe noch aus. Schon jetzt ist klar, dass dies nicht die letzte Rückgabe war: Anwalt Fremy verhandelt mit der Hamburger Senatskanzlei auch über die Villa am Alsterufer des Ehepaars Budge, in der sich heute die Hochschule für Musik und Theater befindet.

http://www.art-magazin.de/kunst/37804/raubkunst_hamburg
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