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Diese Bilder schmückten auch Hitlers Reichskanzlei

1998
1970
1945
Die Welt 14 December 2010

Berlins Nationalgalerie zeigt in einer Ausstellung Gemälde, die als verschollen galten und nun wieder zurückgekehrt sind.

Frühstück mit Menzel? Adolf Hitler hatte ein Faible für den Berliner Maler, Schinkel und Ahlborn. Sorgsam sind die einzelnen Gemäldetitel per Schreibmaschine im „Verzeichnis der an die Reichskanzlei ausgeliehenen Kunstwerke“ aufgelistet. Datum: 1934. „In der Wohnung des Führers“ hingen unter anderen Menzels „Hofgastein“ und Schinkels „Gotischer Dom am Fluss“. Ein roter Haken bestätigte deren Eingang. Auch Ahlborns idyllischer „Blick auf Florenz“ von 1832 dekorierte Hitlers Heim. Seit 1945 galt das Gemälde als verschollen. Über sechzig Jahre später wurde es 2009 – aus Privatbesitz – in einem Berliner Auktionshaus angeboten, ein Sammler informierte die Experten der Nationalgalerie. In diesem Frühjahr ging es an das Museum zurück – und wird nun erstmals frisch renoviert und von Knicken befreit in einer Kabinettausstellung dort gezeigt.

 

    Gemälde, die nach Berlin zurückkehrten
Kaiseroda 1945 / US-Soldaten & Kunstgut
Foto: picture-alliance / akg-images 1945 stießen die Truppen der Alliierten in zahlreichen Höhlen oder Stollen auf ausgelagerte Schätze deutscher Museen. Zum Beispiel im Kalischacht Kaiseroda in Thüringen.

„Florenz“ ist eines von 18 bis dahin als verschollen geglaubten Gemälden aus dem Vorkriegsbestand der Alten Nationalgalerie in Berlin, die in den letzten Jahren überraschend in Privatbesitz aufgetaucht sind und für das Haus auf der Museumsinsel zurückgewonnen werden konnten. Die Dunkelzone ist groß, nach zahlreichen Ein- und Umlagerungen in den Flakbunkern Zoo und Friedrichshain weiß bis heute niemand genau, welche Werke verbrannten oder gestohlen wurden. Die Bewachung war damals nicht lückenlos, der Brand in Friedrichshain mysteriös.

800 Werke fehlen im Bestand der Nationalgalerie. Jeder „Rückkehrer“ hat eine eigene, teilweise abenteuerliche Geschichte. Der reichlich ramponierte „Dichter Klaus Groth“ von Christian Ludwig Bokelmann verschwand 1945 aus dem Flakturm Friedrichshain und tauchte vor fünf Jahren auf einem Berliner Flohmarkt wieder auf. James William Coles „Hund mit Schimmel“ war als Leihgabe über das Auswärtige Amt an die Dienstvilla des im Exil lebenden irakischen Ministerpräsidenten in Dahlem verliehen worden. Später gelangte es – als Lohn – an ehemalige Hausangestellte in Sachsen. Einer der Erben recherchierte die Herkunft, so gelangte es nach Berlin zurück.

    Diese Bilder liebte der Diktator
Hitlers Kunst
Foto: picture-alliance / akg-images Der Diktator Adolf Hitler verehrte die Künstler des 19. Jahrhunderts. Arnold Böcklins "Toteninsel" (1883) hing in der Reichskanzlei.

Udo Kittelmann, Chef der Nationalgalerie, möchte diese Ausstellung museumspolitisch verstanden wissen. „Wir stellen uns damit der Geschichte der Sammlung und machen sie transparent.“ Auch die laufende Schau der Neuen Nationalgalerie „Moderne Zeiten“ widmet sich der Sammlungsgeschichte und zeigt mit der „Schattengalerie“ auf, welche Bilder durch die Naziherrschaft verlustig sind. Mittlerweile gibt es sieben Bände, die die „Dokumentation der Verluste“ in den einzelnen Häusern der Staatlichen Museen umfassen. Der Verlustkatalog der Nationalgalerie stammt aus dem Jahr 2001. In der Alten Nationalgalerie selbst hängt inmitten der Schau symbolisch ein leerer Rahmen, einst für ein Gemälde von Carl Blechen gefertigt. „Botschaft und Hoffnung, dass er sich einmal wieder füllen wird“, so Kittelmann.

Doch warum erst jetzt diese Ausstellung? Für die Berliner Museen war es bis 1990 nicht möglich, die fehlenden Werke nach dem Krieg hinreichend zu dokumentieren. Die Teilung der Sammlungen in Ost und West und das von den DDR-Funktionären erwirkte Kontaktverbot unter Wissenschaftlern machte eine wirkliche Inventarisierung nicht möglich. Eine vollständige Übersicht fehlt allerdings bis heute, so Kuratorin Birgit Verwiebe. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren registrieren die Staatlichen Museen eine „stetig steigende Kurve der rückkehrenden Gemälde, mehr als in all den Nachkriegsjahrzehnten davor“, sagt Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen.

    Görings gestohlene Sammlung
Hermann Wilhelm Göring
Foto: picture-alliance / KPA/TopFoto/KPA Hermann Wilhelm Göring (1893-1946) war nach Hitler die Nummer Zwei in der Hierarchie des Dritten Reiches. Er befehligte die Luftwaffe und war designierter Nachfolger des "Führers". Auf einen Befehl von ihm begann der systematische Völkermord an den Juden.

Für die Rückgewinnung der Kunstwerke aus Privatbesitz hat man in Berlin ein „relativ gut funktionierendes System entwickelt“, glaubt Justiziarin Dorothea Kathmann. „Wir führen weniger einen Rechtsstreit, sondern haben es geschafft, sehr, sehr gute Verhandlungspositionen aufzubauen.“ Eine wichtige Hilfe und starker Partner sind dabei die Auktionshäuser geworden. Anders noch als vor Jahren ist es mittlerweile so, dass der Kunsthandel eine Art Ehrenkodex entwickelt hat und direkt an die Museen herantritt, wenn ein Werk vermutlich aus deren Besitz stammt. Kurz: Bevor eine Provenienz nicht restlos geklärt ist, geht dort nichts mehr unter den Hammer. Institutionen wie das Art Loss Register in London und die Lost Art Datenbank in Magdeburg kooperieren längst mit den Riesen der Branche wie Sotheby’s und Christie’s. Es hat dort wenig Sinn, mit jenen Werken zu handeln, die eigentlich in den Besitz eines Museums gehören.

Allerdings ist für den heutigen Besitzer die Rückgabe wenig lukrativ, lediglich zehn Prozent des Marktpreises gelten als „Finderlohn“. Werke aus dem ehemaligen Bestand der Preußischen Sammlungen können juristisch gesehen nicht noch einmal erworben werden. Der Nachweis als Museumseigentum sei relativ einfach dank einer „sehr guten Vorkriegskartei“ mit Fotos, die die Identifikation erleichtern. Und so ließen sich die Verkäufer, so die Erfahrung von Dorothea Kathmann, „relativ bereitwillig auf Vertragslösungen ein“. Hoffnung also für die Justiziarin, dass „wir künftig noch mehr Rückkehrer haben werden“.

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